Schnaufend schraubt sich die Bahn den Berg hinauf. Kurve rechts, Kurve links, vorbei an idyllischen Wiesen und alten Heustadeln und durch viele viele Tunnel. Es regnet. Hinter den Nebelschwaden lassen sich die Schweizer Berge erahnen, aber das eigentliche Erlebnis sind die Kurven, in denen man den Zug von der Seite sehen kann. Was für eine Freude! Wohl dem, der einen Platz am Anfang oder Ende der Waggons gefunden hat. Der kommt in den vollkommenen Genuss einer Zugfahrt mit der Rhätischen Bahn.
Mit der Bahn durch Graubündens Weltkulturerbe
Ich sitze im Zug von Chur nach Samedan. Ein Teil dieser Strecke ist die bekannte Albualinie, die gemeinsam mit der Berninalinie seit 2008 zum Weltkulturerbe der Unesco gehören. Was ich bis dahin nicht wusste (obwohl es rückblickend so logisch erscheint), ist, dass selbst „normale“ Züge die weltbekannten Streckenabschnitte der Rhätischen Bahn befahren.
Eine „normale“ Zugfahrt von Chur nach Pontresina / St.Moritz, verspricht also einen sehr guten Eindruck von einer exklusiveren Reise mit dem Glacier-Express. Der (natürlich nicht ganz unbedeutende) Unterschied ist, dass die umlaufenden Panoramafenster in den herkömmlichen Zugabteilen fehlen. Das Teilstück ist komplett identisch mit dem letzten Streckenabschnitt der Panoramabahn.
Aber auch ohne Panoramawagen und exklusive Bordgastronomie ist diese Bahnfahrt ein umwerfendes Erlebnis, denn der Zug rollt entlang des Flusses Albula durch eine faszinierende Alpenlandschaft. Wer die Chance hat, mit der Rhätischen Bahn in das Engadin zu reisen, der sollte sie ergreifen!
Faszination Albulalinie: Tunnel und Viadukte inmitten hochalpiner Landschaft
Als Albulalinie wird der Streckenabschnitt zwischen Thusis und St. Moritz in Graubünden bezeichnet. Sie ist, wie bereits erwähnt, Teil des UNESCO-Weltkulturerbes „Rhaetian Railway in the Albula / Bernina Landscapes“.
→ Hier kannst du dich auf der Seite der Unesco ausführlich darüber informieren.
In diesem Bereich überwindet die Bahn den Albula-Pass (2310 m ü.M.), überquert mehrere Viadukte und rollt durch endlos erscheinende Tunnel. Etwa eintausend Höhenmeter muss die Bahn dabei überwinden. Wer einmal bergsteigen war, weiß, dass das nicht gerade wenig ist.
Vorbei an den Bergdörfern Bergün, Filisur und anderen kleinen Orten geht die Fahrt der Rhätischen Bahn. Den Reisenden eröffnen sich dabei immer neue eindrucksvolle Einblicke in die alpinen Landschaften. Weil sich, jahreszeitlich bedingt, immer neue Konstellationen ergeben, wird die Strecke auch bei mehrfachem Befahren niemals langweilig.
Die Höhe wird unter anderem durch Spiraltunnel überwunden. Das heißt mit Hilfe einer 360 ° Schlaufe macht der Zug bei der Überwindung der Strecke Höhenmeter gut und bewegt sich so nach oben.
Gehalten wird an mehreren Haltepunkten. Die kleinen Bahnhöfe sind beschaulich. Selbst wenn gebaut wird, ist die Rhätische Bahn bemüht, die Abschnitte so nett wie möglich zu gestalten.
Dafür lieben wir die Schweizer Bahn: Pünktlichkeit
Die Waggons der normalen Züge der Rhätischen Bahn sind minimalistisch ausgestattet und ohne weiteren Komfort. Wer moderne Hochgeschwindigkeitszüge erwartet, wird enttäuscht. Dafür punktet die Bahn mit Schweizer Pünktlichkeit.
Unterhaltsame Durchsagen, in denen Reisende über die Streckenabschnitte, Anzahl der Tunnel, Brücken oder Besonderheiten am Wegesrand informiert werden, lassen die Fahrzeit schnell vergehen.
Spektakulär und einzigartig: der Landwasser-Viadukt
Die Albulastrecke ist insgesamt 63 km lang und verläuft von Thusis nach Tirano. Auf ihrem Weg überwindet die Bahnlinie 169 Brücken und 55 Tunnel. Der spektakulärste Moment ist wohl die Einfahrt in ein Felsloch mit anschließendem Tunnel über den berühmten Landwasser-Viadukt. Dieses architektonische Meisterwerk wurde in den Jahren 1901 und 1902 erbaut und überbrückt in spektakulärer Höhe und Krümmung mit drei Pfeilern das Landwassertal. Das Bauwerk, welches nach Angabe der Rhätischen Bahn nach 106 Jahren zum ersten Mal saniert werden musste, ist insgesamt 142 m lang.
Berge so weit das Auge reicht: Heidi hätte die Rhätische Bahn geliebt
Wer mehr Zeit hat als ich, der sollte sich Zeit zum Aussteigen nehmen. In Bergün gibt es ein Bahnmuseum und von Filisur aus gelangt man in einer halben Stunde zu einem Aussichtspunkt, an dem sich das Landwasser-Viadukt als besonders fotogen erweist.
Informationen zum Bahnmuseum Bergün
Außerdem lohnt ein Abstecher in das Gasthaus Bellaluna, in dem ich (nebenbei bemerkt) eine der schaurigsten Nächte meines Lebens verbracht habe. Trotzdem ein toller und malerischer Ort mit einer spannenden Geschichte.
Oberhalb von Bergün liegt das Bergdorf Latsch. Hier wurde Anfang der 50ger Jahre der erste Heidi-Film gedreht und noch heute gilt der Ort als besonders malerisch und weitestgehend unberührt.
Wenn du die Rhätischen Bahnstrecken im Winter befährst und Schnee liegt, solltest du einen Schlitten mitnehmen. Die Straße zwischen Bergün und Breda ist zu dieser Zeit gesperrt. Du steigst in Bergün aus, schaust dich noch ein wenig um und saust dann mit dem Schlitten hinunter ins Tal nach Breda. Ein tolles Erlebnis.
Informationen über eine Zugfahrt mit der Rhätischen Bahn in Graubünden
Fahrkarten können außer an besonderen Fest- und Feiertagen weitestgehend spontan gekauft werden. Ein vorheriges Reservieren ist nicht nötig, auch wenn inzwischen um die 10 Millionen Personen jährlich mit dem Schweizer Bahnunternehmen reisen.
Tickets können online gebucht, klassisch am Schalter oder am Automaten gekauft werden.
Neben normalen Sitzplätzen und den höherpreisigen Panoramazügen gibt es spezielle Familienabteile und Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme.
Informationen auf der Seite von Graubünden-Ferien
→ graubuenden.ch
oder direkt bei der Rhätischen Bahn
→ rhb.ch
Einem Lokführer über die Schulter schauen
Tolle Eindrücke aus den Zügen der Rhätischen Bahn vermittelt der Schweizer Lokführer Fabio Peng, alias @calandamountain im Social Network Twitter. Er fährt die Strecke aus beruflichen Gründen immer wieder und weil Fotografieren zu seinen persönlichen Leidenschaften zählt, teilt er immer wieder beeindruckende Aufnahmen.
Albulatal im Winterkleid pic.twitter.com/l8mtdX3Gba
— Fabio (@calandamountain) November 27, 2022
Für Fotoverrückte, die sich mit der Rhätischen Bahn auf den Weg in die Schweizer Berge machen, empfiehlt Fabio eine Fahrt mit dem Fotoabteil. Das Besondere daran ist, dass sich die Fenster öffnen lassen und so einfacher schöne Aufnahmen zu machen sind.
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Aktualisiert. Der Artikel erschien erstmalig am 6. Oktober 2017.
Hallo Charis,
toll geschriebener Beitrag. Mit der Räthischen Bahn waren wir auch unterwegs. Die Strecke von Chur nach St. Moritz hat uns begeistert. Und wir stimmen dir zu. Es muss nicht der Glacier-Express sein. Uns hat der Fotowagen begeistert. Wir haben unzählige Bilder gemacht.
Liebe Grüße
Thomas
Vielen Dank für den Post! Lesenswert Tipp.
Klar. Immer gern. :)