Im Jahr 2005, mehr als 100 Jahre nachdem der letzte Bär im Val S-Charl in Graubünden erlegt worden war, tauchte ein Bär im Val Müstair in Graubünden auf. Lange hatte man sich von ihm entwöhnt. Plötzlich war er wieder da. Logisch, dass sich sofort die Frage stellte: Was, wenn er mir gegenüber steht? Was muss ich unbedingt wissen, bei einer Begegnung mit Bären?
Bären in den Alpen: Geliebt und gefürchtet
Meine Begegnungen mit Bären beschränkt sich auf eine kurze Episode in den Rocky Mountains Ende der 90er Jahre. Dort konnte ich ein paar Meter entfernt eine wild lebende Bärenfamilie in einer bewaldeten Talsenke beobachten. Damals war unvorstellbar für mich , dass ich ihnen in Europa beim Wandern begegnen könnte. Doch die Bärenpopulation kehrte auch nach Europa zurück.
Den ersten „Kontakt“ zu heimisch gewordenen Braunbären hatte ich 2011. Während eines Aufenthaltes im Schweizerischen Nationalpark wurde ich Zeugin eines emotionsgeladenen Gespräches zwischen einem Graubündner Landwirt und einem Nationalparkranger. Die beiden trafen sich, als der Ranger mit mir seinen täglichen Nationalparkrundgang machte. Ein Gespräch, dem ich aufgrund des Schweizer Dialektes sehr aufmerksam folgen musste, um sie zu verstehen.
Es war ein freundlicher Austausch bis zur Erwähnung der Bären. Während der Nationalparkranger für die Wiederansiedlung der Braunbären plädierte, stritt der Bergbauer für die Sicherheit seiner Nutztiere vehement dagegen. Ich erlebte eine hitzige Diskussion und als sich die Männer trennten, war klar: Der Ranger würde alles tun, um die Bärenpopulation zu schützen. Der Bauer würde bei einer Begegnung mit Bären zum Gewehr greifen.
Inzwischen versenden amtliche Stellen in der Schweiz SMS-Warnungen an Imker*innen und Landwirte in der Region, sobald es zu einer Sichtung kommt.
Ein paar Fakten über Braunbären
Bären sind oft einzelgängerische Säugetiere, die sich im Frühsommer (Mai bis Juli) paaren. Die Jungen kommen Anfang des Jahres zur Welt. Meist werden zwei bis drei Bärenbabys geboren.
Männchen und Weibchen unterscheiden sich durch Größe und Gewicht.
Gewicht Bär ca. 140 – 320 kg
Gewicht Bärin ca. 100 – 200 kg
Bären sind Allesfresser. Da ihr möglicher Lebensraum jedoch immer kleiner wird, ist es für sie immer schwieriger, sich von Pflanzen zu ernähren. Sie fressen wilde Früchte und Blattpflanzen, Honig, Ameisen und Kadaver. Je kleiner ihr Lebensraum wird, desto größer ist die Gefahr, dass Nutztiere Teil ihrer Nahrungskette werden.
Eine Karte mit den Verbreitungsgebieten der Bären in Europa hat der LCIE veröffentlicht. Das LCIE ist eine 1995 gegründete Vereinigung von Interessenvertretern aus Forschung, Naturschutz, Landwirtschaft und Politik, die sich für den Erhalt bedrohter Arten einsetzt.
In seiner aktuellen Publikation gibt das LCIE an, dass ein männlicher Bär ein Revier von 120 bis 1600 km² benötigt, ein weibliches Tier nur 60 bis 300 km².
Der Bär kommt auf dich zu. Was nun?
Der Bär wird sich eventuell aufrichten, um die vermeintliche Gefahr besser zu erkennen. Hat sich das Tier erschreckt, kann es passieren, dass es auf dich zustürmt. Das nennt sich Scheinangriff. Der Bär wird normalerweise vor dir stoppen und den Rückzug antreten. Ruhig bleiben! Hast du eine Jacke oder einen anderen Gegenstand (keinen Rucksack) dabei, lege ihn vor dir auf den Boden. Entferne dich vorsichtig weiter rückwärts.
Kommt dir der Bär sehr nahe, kauere dich mit dem Gesicht nach unten auf den Boden und schütze dich mit deinen Händen. Der Bär wird dich maximal beschnuppern. Wenn er merkt, dass von dir keine Gefahr ausgeht, wird er sich wieder entfernen. Bleib ruhig, bis er weit genug weg ist!
Verhaltensregeln bei einer Begegnung mit Bären
Wer einem Bären beim Wandern begegnet, sollte diese Verhaltensregeln beachten:
Bewahre die Ruhe! – Beginne nicht schnell zu laufen oder zu rennen. Beachte, dass ein Bär bis zu 50 km/h laufen kann. Du hättest keine Chance! Entferne dich defensiv, lauf rückwärts. Klettern macht wenig Sinn. Bären können das auch und vermutlich schneller und besser als du.
Mach dich bemerkbar! – Das Stichwort heißt „unaufgeregter Lärm“. Der Bär soll dich wahrnehmen, aber nicht erschrecken. Rede laut wahrnehmbar und ruhig. Schreie nicht. Ziehe dich möglichst unaufgeregt unter großen Bewegungen mit den Armen und behutsam aus dem Sichtfeld des Bären zurück. Gehe so vorsichtig, dass du nicht hinfallen kannst.
Halte Sichtkontakt! – Behalte den Bären im Auge, aber bewege dich auf keinen Fall weiter auf ihn zu. Vermeide alles, was ihm Angst machen könnte. Mach nur dann Fotos oder Aufnahmen, wenn es deine eigene Sicherheit nicht gefährdet.
Vermeide Provokation! – Der Bär darf sich nicht angegriffen fühlen. Besonders gefährlich sind von der Mutter geschützte Jungtiere. Bewirf den Bären auf keinen Fall mit Gegenständen, denn das stimmt ihn aggressiv.
Kein Futter! – Die Gefahr, dass der Bär hingeworfenes Futter als Aggression versteht, ist viel größer, als dass man ihn damit ablenken könnte.
Vermeide direkten Augenkontakt!
Südtirol: Das Projekt „Life Ursus“
In Südtirol haben der Naturpark Adamello-Brenta und die Autonome Provinz Trient in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Institut für Wildtiere (INFS – Instituto Nazionale per la Fauna Selvatica) 1999 beschlossen, zehn Bären aus Slowenien im Naturpark Adamello-Brenta anzusiedeln. Unterstützt von der Europäischen Union wollen die Initiatoren eine sich selbst erhaltende, natürliche und geschützte Bärenpopulation aufbauen. 40 bis 60 Bären sollen so in der Brenta eine neue Heimat finden.
Wichtig: Du musst keine Angst vor Bären haben! Respekt reicht.
Doch Wildtiere lassen sich nicht an einem Ort festsetzen. Bären wandern und können deswegen in fast allen Alpenregionen angetroffen werden. Es passiert selten, aber eine Begegnung mit Bären ist grundsätzlich möglich. Immer häufiger kommt es inzwischen zum Beispiel im Trentino dazu. Auch in Kärnten, Tirol und natürlich in Slowenien sollten Wanderer immer auf ein Treffen mit dem Bären vorbereitet sein.
Da Bären Wildtiere sind, von Natur aus jedoch eher scheu, ist es wichtig, keine Angst vor ihnen zu haben. Es kann Leben retten, gut vorbereitet zu sein und sichere Verhaltensregeln im Umgang mit dem Bären zu kennen.
Aktuelle Sichtung von Bären (und anderen Wildtieren wie Wölfen)
Es ist wichtig, bei der Begegnung mit Bären möglichst präzise Angaben zum Aufenthaltsort zu machen. Dokumentiere deine Bärensichtung, sofern es deine eigene Sicherheit zulässt durch Foto oder Video. Deine eigene Sicherheit hat in diesem Moment IMMER die höchste Priorität.
Ansprechpartner für Bären-Sichtungen
In Südtirol ist das Amt für Jagd und Fischerei der Autonomen Provinz Bozen zuständig, Tel. +39 0471 415170 / 71.
Aktuelle Begegnungen mit Bären und Wölfen sind in einer öffentlich einsehbaren Liste verzeichnet. → Zur Liste.
Die Autonome Provinz Trient hat eine rund um die Uhr erreichbare Telefonnummer, unter der die Anwesenheit von Bären gemeldet werden kann. Man erhält Informationen und Hilfe oder kann Notfälle melden. Sie ist mit der allgemeinen Notrufnummer 112 verbunden. Auch das Deutsche Auswärtige Amt verweist auf diesen Kontakt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen für Italien.
+39 335 7705966
In Bayern wendet man sich am besten an das → Bayrische Landesamt für Umwelt. Bei einem akuten medizinischem Notfall ist immer die 112 zu wählen.
In der Schweiz sind die einzelnen Kantone zuständig. Zum Beipiel in Bern: Wildhüter 0800 940 100 oder Jagdinspektorat +41 31 636 14 30.
In Frankreich ist der AVES France aktiv und das französische Büro für Biodiversität OFB.
In Österreich gibt es das ÖZ (Österreichzentrum) Wolf, Bär, Luchs, das auch eine aktuelle Verbreitungskarte mit Sichtungen in Österreich veröffentlicht hat.
Weitere Ansprechpartner in diesem → Flyer.
Museen und Erlebniswege auf den Spuren der Bären
Begegnungen mit Bären in der Schweiz
Bärenmuseum in S-Charl im Museum Schmelzra – Die historische Ausstellung ist nichts für schwache Nerven. Hier steht ausgestopft der 1904 erlegte letzte „ehemalige“ Bär der Schweiz.
Bärenerlebnisweg Senda da l´uors – 2010 von WWF, Scuol Tourismus und dem Schweizerischen Nationalpark angelegter Lehrpfad.
Arosa Bärenland – Gibt Bären aus schlechten Haltungsbedingungen ein Zuhause und können von Besucherplattformen beobachtet werden.
Südtiroler Bären Museum in St. Kassian
Museum Ladin Ursus ladinicius – Dieses Museum in St. Kassian in Alta Badia widmet sich dem ältesten Bewohner des Tals, dem Höhlenbären.
Bären in Österreich
Bärenwald Arbesbach im Waldviertel – Auffangstation der Tierschutzorganisation VIER PFOTEN für Bären in Not.
Begegnung mit Bären in der Presse
Die Süddeutsche Zeitung beschreibt im April 2023 ausführlich über das Unglück eines Joggers bei der Begegnung mit einem Bären.
Was man auf anderen Kontinenten bei der Begegnung mit Wildtieren beachten sollte, hat Miriam Palm in einem Artikel auf Nordkap nach Südkap beschrieben: Zum Wohl der Tiere: Darauf solltest du auf Reisen verzichten
Aktualisiert. Der Artikel erschien erstmalig am 31. Mai 2021.
Liebe Charis,
vielen Dank für den Artikel und die Tipps. Ich durfte neulich einen Artikel über den Wolf schreiben. Der kommt uns auch „gefährlich“ nahe und am 30. September entzündeten Landwirte europaweit ein Mahnfeuer gegen den Wolf. Sie wollen dass er in das Jagdrecht aufgenommen wird und so regulierbar wird. In unserem Wald, vielleicht 1 km von unserer Wohnung entfernt, wurde Wolfskot gefunden. Wir haben mittlerweile drei männliche Wölfe im Südschwarzwald. Das korrekte Verhalten gegenüber eines Wolfs wird sich vermutlich nicht großartig vom Bär unterscheiden, außer dass der Wolf vielleicht nicht klettern kann?
Grüße
Valerie
Vor zwei Wochen hat ein Bär in Südtirol auf ca. halber Höhe zwischen Marling und Vigiljoch Ziegen gerissen und ein Wolf oberhalb von Eppan Schafe. Bär und Wolf sind somit mittlerweile auch durchaus in der Nähe touristischer Zentren anzutreffen. Insofern kommt dieser Artikel rechtzeitig zur Beginn der Reisezeit. Vielen Dank.
Danke. Das mit dem Bären hatte ich auch gelesen, aus einer Gegend, die für mich selbst für Wanderungen denkbar war. Darum hab ich das geschrieben. Ich möchte keine Panik verbreiten, aber wer in die Natur geht, der muss informiert sein.