Dreißig Jahre scheinen eine lange Zeit. Viele Menschen sind der Meinung, dass diese Zeit locker hätte reichen müssen, um aus zwei Teilen Deutschlands wieder eins zu machen. – Wenn ich an mich selber denke, muss ich leider sagen: nein. Reicht eben nicht.
Ich lebe ein wunderbares und facettenreiches Leben. Es geht mir gut, ich bin glücklich und meine Lust am Reisen konnte ich Zeit meines Lebens voll ausleben. (Dank meiner mutigen Eltern auch schon zu DDR-Zeiten. Im Auto oder Zelt schlafend, haben wir bereits damals große Teile des Ostblocks bereist.) In den späteren Jahren habe ich mir dann den Rest der Welt angesehen. Ich habe eine wunderbare Familie und trotz vieler Umwege beruflich immer wieder mein Glück gefunden. Das trifft im besonderen gerade auf die derzeitige Situation zu. Es geht mir wirklich gut.
Aber in allem was ich bin und habe, schwingen Erinnerungen mit und es gibt Wunden, Kränkungen, Anfeindungen, Ängste von damals, die ich bis heute nicht vergessen kann. Mal denke ich wie im Osten, in den meisten Situationen jedoch eher wie im Westen. Ich leide mit, wenn der Osten wählt, bin entsetzt. Möchte mich aber im selben Moment schützend vor die stellen, die den Mut haben dort zu wohnen und mit der braunen Scheiße nichts am laufen haben.
Ich erinnere mich an die unsichere Zeit vor der Ausreise und später an die ungerechte, herablassende Art mancher Mitmenschen hier im Westen. Noch Jahre später bekam ich aufs Brot geschmiert, ich sei ja von „drüben“.
Wenn ich durch das Brandenburger Tor laufe, an der Bernauer Straße stehe, dann kommen mir die Tränen. Sehe ich Filme aus der Zeit, passiert genau das gleiche und ich schaue oft solche Filme. Man muss das nicht dramatisieren, aber man darf feststellen, dass ich darunter leide. Auch weil viele Ungerechtigkeiten von dort niemals gesühnt wurden. Ich lese viel darüber, ich versuche zu verstehen, mich zu arrangieren.
Die Hürde, die ich bei all meinen Bemühungen jedoch nicht nehmen kann, ist die Frage nach der Zugehörigkeit. Ich bin nicht von hier, ich fühle mich nicht wie von da.
Der Ort, an dem ich mich zuhause fühle, sind die Berge. Und irgendwie ist das nach dreißig Jahren noch immer eine Flucht.
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