Hamburg von oben – Wer die Berge liebt, sucht überall nach aussichtsreichen Orten. Wenn schon keine Hügel, dann wenigstens in Gebäuden hoch hinaus, so lautet die Devise und so haben wir unlängst im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg einen dieser Orte entdeckt. Zu finden im „vju im Energiebunker“, einem neuen Café in einem umgebauten Flakbunker aus dem zweiten Weltkrieg. Nicht nur die Stadt liegt einem ungewöhnlich großzügig zu Füßen, auch der Hamburger Hafen mit seinen imposanten Kränen, den vielen Schiffen und dem glitzernden Wasser bietet wunderbare Ausblicke.
Da ich nur mein IPhone dabei hatte, ist das Panoramafoto mässig – vielleicht reiche ich bei passender Gelegenheit eins nach.
Ein Koloss aus Beton
Ein Flakbunker? – Hamburger kennen die grauen Kolosse, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Groß, häßlich und bedrohlich, so habe ich sie all die Jahre wahrgenommen und natürlich ist etwas dran, denn die Flakbunker, die vielfach von Grünanlagen umgeben sind und weit über die Umgebung hinausragen, haben eine düstere Geschichte. Erbaut in den vierziger Jahren, boten sie im zweiten Weltkrieg tausenden Hamburgern Schutz vor den Angriffen der Alliierten.
Die bis zu drei Meter dicken Wände und vier Meter dicken Decken waren nahezu unzerstörbar. In den Kriegszeiten ein Vorteil, in der Nachkriegszeit jedoch ein riesiges Problem – waren diese fensterlosen, ungastlichen Betonklötze doch kaum einer vernünftigen Nutzung zuzuführen.
Auch der Bunker in Wilhelmsburg teilt diese Geschichte, denn nach einem mißglückten Sprengversuch der Briten im Jahr 1947, wurde zwar der Großteil des Innenlebens des Bunkers zerstört, nicht jedoch seine Außenhaut.
Über 60 Jahre blieb das einsturzgefährdete Gebäude verfallen stehen, bis es im Rahmen der IBA Hamburg saniert und einer neuen Nutzung zugeführt werden konnte.
Der Bunker beherbergt nun ein weltweit einzigartiges Energiekonzept und kann bis zu 3000 Haushalte mit Wärme und bis zu 1000 Haushalte der näheren Umgebung mit Strom versorgen. Im 8. Stockwerk des regenerativen Kraftwerks mit Großwärmespeicher befindet sich auf 30 Meter Höhe eine einzigartige Aussichtsplattform mit Blick auf die Metropolregion Hamburg und die Café- und Event-Location „vju“.
Kaffee, Kuchen und eine 360° Aussicht
Das „vju“ befindet sich im 8.Stockwerk. Über einen unscheinbaren Eingang an der Seite des Hauses gelangt man in das Innere des Bunkers. Mit einem Lift fährt der Gast bequem nach oben, sodass das Café auch Personen empfohlen werden kann, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
Die Betonwände im Bereich des „vju“ sind nicht so rauh belassen wie im Umfeld. Farbe und eine geschickte Beleuchtung verwandeln die sonst schroffen Wände des Industriebaus zu modernen Räumlichkeiten mit urbanem Charakter, ganz so, wie es der aktuelle Zeitgeist gerade verlangt.
Eine riesige Front aus deckenhohen Panoramafenstern beherrscht den Raum und bietet eine fantastische Aussicht auf den Hafen mit riesigen Kränen und auf die Stadt. Die Elbphilharmonie, als neues Wahrzeichen Hamburgs, der Fernsehturm und sämtliche Kirchtürme machen das Stadtpanorama für Einheimische und Touristen zum spektakulären Erlebnis. Kaffeetrinken mit Blick auf die „Elphi“ – das hat Hamburg tatsächlich gar nicht so oft in dieser vollendeten Schönheit zu bieten.
Die Bewirtschaftung des Cafés empfanden wir als sparsam, wenngleich die Kuchenauswahl fantastisch war. Es gab Mohnkuchen und Cheese-Cake und einige andere Sorten. Alles frisch und hausgebacken, geschmacklich okay.
Schwieriger wurde es bei den Sandwiches, weil für keines der billigen Supermarkt-Toastbrote der passende Belag zu liefern war. Wir bekamen dann zwei unterschiedliche mit Käse, die zwar halbwegs schmeckten, die so aber keiner von uns bestellt hatte.
Die Tagessuppe – eine Suppe aus Lauch und Hack – schmeckte passabel, kam allerdings auch nur lauwarm auf den Tisch.
Einziges kulinarisches Highlight war die Minzschokolade, eine Mischung aus heißer Schokolade und Pfefferminztee, die ich so noch nie getrunken hatte, aber durchaus empfehlen kann.
Da die Preise vergleichsweise stattlich waren, muss man in das „vju“ gute Nerven mitbringen. Der Blick zählt und das Servicepersonal ist langsam, aber freundlich. Einfach mal so hinnehmen…
(Eine Erfahrung, die wir in Wilhelmsburg übrigens schon mehrfach gemacht haben.)
Das am Wochenende angebotene Brunchen scheint sehr viel umfangreicher zu sein. Ob unsere Erfahrungen mit Essen und Service hier genauso wären, vermag ich so leider nicht zu sagen.
360°Panorama und die Geschichte des Bunkers
Nach dem Kuchen geht es raus auf den Balkon! Über die großzügige Terrasse rund ums Haus, fegte bei unserem Besuch eine ordentliche Brise. Trotzdem: einmal drumherum lohnt sich immer! An mehreren Stellen sind Schautafeln angebracht, auf denen man Wissenswertes um das Gebäude und somit zur Geschichte Hamburgs erfährt. Wer dazu keine Lust hat, kann eine nett gebundenes Büchlein zum Energiebunker kaufen und zuhause gemütlich auf dem Sofa durchlesen.
Sollte das „vju im Energiebunker“ irgendwann am Abend geöffnet haben, komme ich im Sommer auf einen Sundowner wieder. Einziger Wermutstropfen nämlich: die Öffnungszeiten: wer es am Freitag bis 18.00 Uhr nicht geschafft hat, bleibt draußen. Für das Brunchen Am Wochenende öffnet die Location wenigstens schon um 10.00.
Ein paar Fakten
- Der Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist die größte Binneninsel Europas
- Zu dem Flakbunker in Wilhelmsburg gibt es ein baugleiches Modell in Wien
- Wilhelmsburg ist einer der buntesten Stadtteile Hamburg. Hier leben heute Jugendliche aus ca. 100 Nationen.
- Wer sich für die Geschichte des Flakbunkers interessiert, kann an jedem zweiten Sonntag im Monat eine Führung durch das Gebäude machen.
vju im Energiebunker
Neuhöfer Straße 7
21107 Hamburg
Öffnungszeiten
Freitag 12-18 Uhr
Samstag und Sonntag 10-18 Uhr
Aufgrund von Veranstaltungen kommt es immer wieder mal zu Änderungen. Es lohnt sicher vorher noch einmal auf der Seite die Zeiten zu checken.
Wow. Haben die da echt so eine Wahnsinns Aussicht über die Stadt.
Das ist beeindruckend.
Das sieht gut aus. Testen wir.
ein déja vu – nicht so sehr der fast unaussprechliche Name vju – sondern der mäßige Service unter dem inzwischen fast alle Tourismusgegenden zu leiden haben. Auch wir in Südtirol erbleichen nach Sätzen wie „attgesmäckt?“ nach einem Essen oder „bitte ier ausfillen“ am Empfangstresen eines Hotels in dem man früher noch vom Hotelier oder seiner Frau persönlich umschmeichelt wurde. Tempi passati! Am besten man bleibt zuhause und überweist das Geld für die Bewirtung ohne sich deren Service-Enttäuschungen auszusetzen. Ein Verhalten, auf das z.B. die unfreundlichen Schweizer Gastgeber offenbar seit Jahren hinarbeiten.
Andreas
Zuhause bleiben ist keine Option! :)
Liebe Grüße, Charis