Lana. Südtirol. Leise öffne ich die angelehnte Terassentür, laufe zwei Schritte über kühle Holzplanken und trete barfuss auf die üppig blühende Wiese vor unserem Zimmer. Das Gras ist feucht von der Nacht und stachelt ein wenig unter den Sohlen. Die ersten Sonnenstrahlen kitzeln Natur und Südtiroler Bergwelt wach. Ich höre ein lautes Summen und Zwitschern und ansonsten ist Stille. Könnte ich riechen, würden mich die vielen Lärchenbäume rund um das Haus wohl betören, aber möglicherweise wäre meine Freude über einen Aufenthalt hier oben am Vigiljoch dann kaum noch zu ertragen.
Es ist früh am Morgen und die meisten Gäste des Vigilius Mountain Resorts betten sich noch seelig auf den weißen glatten Kopfkissen, auf denen sie vor dem Schlafengehen ein Strohblumenblüte als Gute Nacht-Gruß vorgefunden haben. Keine Schokolade, kein Absacker, sondern ein stilles, naturverbundenes Zeichen: „Du bist hier willkommen!“. Das ist typisch für dieses Hotel, in dem die Gesten leise, aber meist ein wenig schöner sind als anderswo.
Ankommen im Vigilius – Unvergesslich schön
Das Vigilius gehört zu meinen Sehnsuchtsorten. Als ich das Hotel vor Jahren in einer Zeitschrift entdeckte, wusste ich sofort: Das möchte ich sehen! Ich habe den Artikel herausgerissen und besitze ihn noch heute. Das minimalistische Design, die geschickte Eingliederung in die Natur, das Haus aus Holz und Glas, welches sich dahinschlängelt wie ein umgeworfener Baum und die abgeschiedene Lage mit Traumblick auf die Dolomiten, sprachen mich sofort an.
Damals war ich noch nicht oft in Südtirol gewesen und kannte nur wenige Hotels in den Bergen. Als ich mit meiner Tochter anreiste, es muss 2006 gewesen sein, war das Hotel nur wenige Jahre alt (Eröffnung 2003). Die Gondel der, inzwischen sanierten, Drahtseilbahn krächzte den Berg hinauf. Schön war das nicht für jemanden mit Höhenangst. Aber bereits das Zurücklassen unseres Autos auf dem Parkplatz an der Talstation, das Überlegen, ob man alle nötigen Gepäckstücke dabei hat und die zunehmende Aussicht mit dem Gewinn an Höhe, lenkten von jeder Unsicherheit ab. Es entführte uns in eine andere Welt, denn in das Vigilius gibt es keinen anderen Weg. Autos haben keine Zufahrt. Aber hier eincheckt, nimmt die Gondel (oder kommt zu Fuss…). Kommt man oben an, sind es damals wie heute nur ein paar Schritte zum Hotel.
Ich gebe zu, ich war neugierig. Würde ich nach der langen Zeit auf ein komplett umgestaltetes oder in die Jahre gekommenes Haus treffen? Die Zwischenzeit brachte Veränderung. Luxushotels in den Bergen sind wie Pilze aus dem Boden geschossen und in vielen, die ich in der Folgezeit bereiste, fand ich Elemente aus dem Vigilius wieder. Das Vigilius Mountain Resort hatte zum Zeitpunkt seiner Entstehung visionären Charakter.
Um es vorwegzunehmen: Nichts hat sich wahrnehmbar verändert. Es ist erstaunlich. Sowohl im Zimmer, im Spa, als auch in den langen hellen Fluren, schien sich in all den Jahren nichts geändert zu haben. Und trotzdem wirkt alles modern und zeitgemäß. Endlich ein Ort, der Bestand hat, ein Fleck zum wiederkommen und sofort „da“ sein. Ich fühlte mich von der ersten Minute an wohl. Was für ein wunderbares Haus!
Veränderungen stellte ich beim Frühstück fest. Man nimmt es im Restaurant „1500“ ein, einem großen lichtdurchfluteten Raum, der zu jeder Tageszeit ein Erlebnis ist, weil er die Natur durch riesige Fensterfronten nach drinnen holt und gleichzeit Geborgenheit und Eleganz vermittelt. Es ist größer geworden und bietet nun noch mehr regionale Produkte. Leinsamen aus Tscherms zum Beispiel oder Weizenschrot und einen riesigen italienischen Schinken zum Selberschneiden. Ich konnte nicht widerstehen und habe einen riesigen Teller davon gegessen.
Die Zeit im Vigilius vergeht schnell. Wenn das Wetter passt, lohnt sich eine Fahrt mit dem alten Sessellift und eine Wanderung zum Vigiliuskirchlein oder eine Einkehr in eine der zahlreichen Berghütten, die sich hier oben befinden.
Eine Wanderung am Vigiljoch
Gekommen um zu bleiben
Bleibt man jedoch nur kurz, ist es fast schade, das Vigilius längere Zeit zu verlassen. Der Spa-Bereich lädt zum ausgiebigen Schwimmen und Saunieren ein. Das Wasser dafür kommt aus einer Quelle. Die Zeit verrinnt, während man sich treiben lässt und ein Bad im Außenbecken des Whirlpools genießt. Die Lärchen um das Haus spenden Schatten und lassen dennoch genug Platz für den freien Blick auf die Dolomiten. Überall ist man der Natur nah, hört die Vögel zwitschern, den Wind rauschen und atmet die wild-würzigen Aromen der Umgebung ein.
Es ist möglich einfach mal nichts zu tun.
Auf einer großzügig angelegten Freifläche aus Holz wird morgens Yoga gemacht: die fünf Tibeter. Später können Mutige hier barfuss über einen Teppich aus Tannenzapfen laufen oder über eine Slackline balancieren. Alles bleibt eine Einladung Sinne anzusprechen, die in der Eile des Alltags in Vergessenheit geraten sind.
Wer sich verwöhnen lassen möchte, reserviert eine Anwendung im Spa mit Pflegeessenzen aus der Region. Eine Latschenkiefer-Peeling von Trehs aus dem Sarntal fördert die Durchblutung und beruhigt. Mit einem Honig-Polenta-Peeling, welches man daheim wunderbar wiederholen kann, fühlt sich die Haut glatt und zart wie ein Babypo an.
Keine Lust auf Seele baumeln lassen? Auch dafür bietet das Vigilius Lösungen. Wer dem Bergsport frönen möchte, findet Auslauf vor der Tür, geführte Wanderungen werden angeboten, ebenso wie der Verleih Mountain Bikes.
Eine Stunde Bogenschießen mit einem Personal Trainer zeigt: Das Zielen ist viel leichter als man denkt und die Ruhe die damit einhergeht, entspannt.
Nachts am Vigiljoch
Wenn es dämmert im Vigilius, brechen die schönsten Stunden an. Dann wird es ruhig auf dem Berg. Die letzten Tagesgäste der Stube Ida fahren ins Tal. Am Kamin in der großen Piazza oder auf der Terasse trifft sich die Vigilius Familie auf einen Apero. Man plaudert oder schweigt und genießt.
Für das Abendessen entscheidet man sich zwischen einer traditionellen Mahlzeit in der gemütlichen Stube Ida (die ich bereits hier vorgestellt habe) oder einem Menü im mehrfach vom Gault Millau ausgezeichneten Restaurant „1500“. Der Philosophie des Hauses folgend, gibt es hier ein Vier-Elemente Menü, welches seinen Namen tatsächlich verdient.
→ Gemütlich und urig: Die Stube Ida ←
Die Vorspeise ist ein Wildblütensalat mit Ziegenkäsehippen (Luft). Das Element Feuer wurde durch ein scharfes Pastagericht symbolisiert. Zum Hauptgang „Wasser“: ein Fischgericht. – Der kulinarische Knaller (für mich) war das Dessert. Für das Element Erde hatte der Koch eine Geschichtete Erde kreiert, die aus weißer Schokolade und einem Gurkensorbet mit Kräutern bestand. Es war krümelig und dabei erfrischend, es sah sensationell gut aus und ich hatte den Geschmack noch ewig auf der Zunge. Vor allem die unterschiedlichen Konsistenzen der Bestandteile haben mich daran so begeistert. Das Menü wurde begleitet von einem Meraner Wein aus der Kellerei Burggräfler, ebenso ein regionales Produkt.
→ Kellerei Meran Burggräfler – Weingenuss und Architektur ←
Wenn man also ein mittleres Sümmchen ausgeben möchte, um einmal etwas richtig tolles zu probieren und sich nach Herzenslust zu verwöhnen, dann könnte man das hier tun! Der Service war unendlich freundlich und diskret. Ein bekannter deutscher Schauspieler, der direkt am Nebentisch Platz nahm, konnte den Abend ebenso genießen wie wir. Auch das ist dem Vorteil geschuldet, dass auf dem Vigiljoch am Abend wirklich Ruhe einkehrt.
Blick zurück
Was bleibt ist der sehnsüchtige Blick zurück und ein Auszug aus einer Schilderung des Inhabers Ulrich Ladurner, der darin seine Tante Ida beschreibt, jener bemerkenswerten Dame, die der guten Stube des Hauses den Namen gab und die wohl auch sonst eine große Aktie an der Entwicklung dieses wunderbaren Ortes trug.
***Tante Ida selbst war wohl die Seele des Hauses. Sie verstand es, vielen Kleinigkeiten, scheinbaren Nebensächlichkeiten einen Sinn zu verleihen. Dabei handelte sie nicht spontan, sondern überlegt, bewusst. Mit ihrem Feingefühl und dieser Bewusstheit gelang es ihr, sich selbst und auch ihren Gästen alle Sinne sprichwörtlich vor Augen zu führen: wie sie den Menschen die Handreichte, das Lächeln, das sie damit verband. Wie sie die “einfachen Dinge des Lebens” zum Leben erweckte. Als sie beispielsweise mit ihren Gästen eine kleine Wanderung zum Quellenweg unternommen hatte, lud sie sie an einer ganz bestimmten Stelle ein, die Schuhe auszuziehen und ein Stück barfuß weiterzugehen, den Wald zu spüren und zu riechen. Die Gäste reagierten verwundert, erstaunt, aber sie haben es ausprobiert und waren mehr als überrascht, wie einfach alles sein konnte, hier auf dem Berg.
Viele sind, wie sie später erzählt haben, mit einer ganz neuen Einstellung nach Hause gefahren, mit einem reichen Erfahrungsschatz an einfachen, kleinen Dingen, an denen sie früher vielleicht achtlos vorbeigegangen waren. „Wo warst du, du siehst aus wie neugeboren?!“, wurden sie nicht nur einmal gefragt. „An einem besonderen Ort, in einem Berghotel, zu dem ich sicher bald wieder fahren werde.“ (Ulrich Ladurner)
vigilius mountain resort*****
a member of Design Hotels
Pawigl 43, Vigiljoch, 39011 Lana, Südtirol – Italia
fon +39.0473.556 600
Architekt Mattheo Thun
Inhaber Ulrich Ladurner – Dr.Schär
Das Vigilius wurde mit zahlreichen Preisen für Umweltfreundlichkeit, Nachhaltigkeit und als Klima Haus prämiert. Ein Holzhaus der Moderne. Ich war 2006, 2015 und 2019 im Haus. Der Artikel ist von 2015.
Interessanter Tipp. Wir sind immer offen für Neues, wenn es um das Thema Hotels in Südtirol geht. Bisher waren wir vorwiegend bei Bozen, aber man kann ja auch mal etwas anderes probieren. Wichtig ist für uns neben der Ruhe, das man gute Bedingungen zum Wandern und Mountainbiken findet, aber auch nicht komplett vom Schuss ist.
Zum Wandern ist das Vigilius sicher ganz fantastisch gelegen!
Mein Mann und ich waren im vergangenen Jahr auf der Rückreise aus dem Süden in diesem Hotel. Schön die Bilder zu sehen.
Wir fanden vor allem die Ruhe herrlich. Endlich einmal kein Autolärm.
Schöner Bericht.
Dankeschön!
und knapp zweieinhalb Jahre später, praktisch vor ein paar Wochen, war ich mit meinem Mann dort:) Es sieht größtenteils noch so aus wie auf den Bildern…Sind von da dann noch weiter nach Lana Südtirol und es war ein toller Urlaub
Einmal im Jahr findet im Vigilius Mountain Resort die Jury zum Verbatsch-Cup statt. Ich hatte selber die Ehre, an einer der ersten Juries dabei sein zu dürfen. Hausherr Ulrich Ladurner ist ein ausgewiesener Kenner und begeisterter Fan dieses Südtiroler autochtonen Weines, der von 85% auf 16% der Anbaufläche in Südtirol zurückgefahren wurde. Nun reicht’s aber! Wir wollen weiterhin uns an diesem leichten, tanninarmen, leicht nach Kirschen, Bittermandeln und Veilchen duftenden Wein mit mäßigem Alkoholgehalt laben! Man trinkt ihn gekühlt (12-14°) auch zu Fisch. Im Freundeskreis sind schnell mehrere Kartons mit 6 Flaschen an einem Abend geleert – Genuss ohne Reue, auch für Menschen mit empfindlichen Magen. Ideal ist natürlich der Vernatsch der Kellerei Meran Schickenburg (mit 3 Gläsern im gambero rosso, der Bibel italienischer Weinkenner) im Restaurant 1500 des Vigilius Mountain Resort – ein must für Architekten und andere Ästheten.