Der Zugang zur japanischen Küche hat sich in den vergangenen Jahren sichtbar verändert. Und Stevan Pauls vegetarisches Japan Kochbuch „Meine grüne japanische Küche“ trägt dieser Neuorientierung Rechnung.
Während früher blitzende scharfe Messer und perfekt abgefächelter Sushi-Reis die Vorstellung von japanischer Kochkunst dominierten, werden inzwischen mehr und mehr alltägliche japanische „Basics“ wertgeschätzt. So stehen immer häufiger, die schon fast als Fast Food zu bezeichnenden Onigiri in den Kühlregalen. Ramen und andere Bowls, ob nun als vegetarische oder klassische Variante, gibt es fast in jeder Stadt.
Das mag an einer Zunahme touristischer Reisen nach Japan liegen, aber sicher nicht nur. Dashi, Miso, Koji und Sojasauce halten in europäischen Küchen Einzug. Sie bereichern die Geschmackswelten derer, die Lust am Experimentieren haben. Kochbücher wie „Meine grüne japanische Küche“ liefern das Handwerkszeug.
Grüne japanische Küche: kombinierbare Vielfalt
Bereits das erste Japan-Kochbuch von Stevan Paul verriet viele Tipps und Tricks, um fehlende Originalzutaten zu ersetzen. Dieses Prinzip setzt sich vegetarischen Japan Kochbuch fort.
Die Herausforderung, der sich Autor Stevan Paul stellt, ist maximal: Wer je in Japan war, weiß, wie sehr die Speisen der Japaner an Brühen mit Fischflocken (Dashi), Fleisch oder Frischfisch gebunden sind. Stevan Paul gelingen durch geschicktes Kombinieren vegetarische Lösungen. Das wird vor allem bei den fünf unterschiedlichen Dashi-Brühen deutlich. Neben der klassischen Kombu-Alge kommen Shitakepilze, Koji und sogar Graubrot zum Einsatz. Wer gerne experimentiert: In den Rezepten aus diesem Kochbuch ist Platz zum Austoben.
Essen gehen in Japan: Eigene Erlebnisse
Es war auf unserer ersten Roadtrip durch Japan, als meine Tochter und ich an einem Straßenrestaurant auf dem Weg in die japanischen Alpen anhielten. Wir zogen, wie es den Gepflogenheiten entspricht, unsere Schuhe an der Türe aus und hockten uns barfuß auf die Tatamis. Die Japaner, in jeder Hinsicht rücksichtsvoll, nahmen plaudernd ihren Mittagstisch ein. Niemand starrte uns an, es sprach aber auch niemand englisch.
Meine Tochter ist Vegetarierin und der Blick auf die Speisekarte ließ uns ratlos zurück: alles war in japanischer Schrift gedruckt, keine Bilder, keine Anhaltspunkte. Was tun, denn wir brauchten die Gewissheit, uns für ein Gericht zu entscheiden, das weder Fisch noch Fleisch enthielt. Ich entschied mich für den einfachsten Weg und zeigte auf die Nudeln an den Nachbartischen, wohl wissend, dass sie immer von einer schmackhaften Brühe begleitet waren.
Für meine Tochter bestellten wir Edamame. Das einzige Wort, bei dem wir unmissverständlich mit einem vegetarischen Snack rechnen konnten. Das klappte auch gut. Sie bekam, was sie bestellt hatte.
Ich wiederum war verblüfft. Neben einer Schüssel heißer Brühe mit Gemüse und Einlagen bekam ich die gewünschten Nudeln. Prima, freute ich mich, im Glauben, die warmen Nudeln meinem Kind anbieten zu können. Doch ich hatte die Rechnung ohne die Kreativität der japanischen Köche gemacht: Diese Nudeln wurden auf Eiswürfeln serviert...
Ein vegetarisches Japan Kochbuch: Das erwartet die LeserInnen
Das Kochbuch „Meine grüne japanische Küche“ ist in sieben Kapitel unterteilt.
Beginnend mit einer Warenkunde folgen Vorspeisen, Sushi bzw. Reisgerichte, Suppen (Ramen), Donburi und Bowls, Grill- und Pfannengerichte und sogar Desserts. Stets begleitet von Reiseeindrücken und Foodfotografie, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. (Die Bilder hat der Hamburger Foodfotograf Andrea Thode gemacht. )
Um mehr Hintergründe über die Entstehung des Buches zu erfahren, habe ich Stevan einige Fragen gestellt:
Stevan Paul im Interview
Stevan, du beschreibst im Vorwort, dass du für das Buch ein weiteres Mal nach Japan gereist bist. In welchen Regionen bist du unterwegs gewesen und gibt es eine, die dich in Bezug auf das Essen besonders fasziniert?
Das war für mich eine ganz besondere Reise, erstmals war ich „auf dem Land“ unterwegs, im Süden Japans bereisten wir die Präfektur Kagoshima in der Region Kyūshū. Während ich in Tokio überwiegend Küchenmeister besucht hatte und die japanische Küche aus der Perspektive des Gastes kennen lernte, ging es diesmal mehr um Landwirtschaft, Produzenten, Handwerk.
Da ich erstmals auch mit Übersetzerin unterwegs war, konnte ich wirklich nachfragen, detailliert nachhaken. In Kagoshima reifte die Idee zur grünen japanischen Küche, ich habe dort viel gelernt. Reich bebilderte Beschreibung meiner Japan-Reisen findest Du übrigens auf NutriCulinary: www.stevanpaul.de/meine-reisen/
Hilfreich: Ein Einkaufsratgeber im Buch
Auf einer Reise durch Japan ist man oft verlockt, exotische Zutaten für zuhause zu kaufen. So finden sich in meinem Küchenschrank kleine Fische und getrockneter Tofu für Misosuppe oder getrocknete Makrelen-Flocken vom Nishiki-Markt in Kyoto. Hast auch du solche „Schätze” und welche Original-Zutat vermisst du hier in Europa am meisten?
Ich habe mir wie immer den Koffer mit Kulinaria vollgepackt (lacht), obwohl es mittlerweile viel einfacher geworden ist, japanische Produkte auch bei uns zu kaufen, bzw. einfach zu bestellen.
Extra für das Buch habe ich einen Online-„Einkaufsratgeber“ geschrieben, der in Wort und Bild durch das übliche Angebot in der DACH-Region führt und auch handwerklich gemachte Top-Produkte vorstellt.
Was ich aber wirklich sehr vermisse ist die Riesenauswahl an eingelegten und fermentierten Tuskemono-Gemüsen und Streuwürzen, die ich aus Japan kenne. Im Buch finden sich jetzt viele Rezepte dazu.
Das Beste für Gäste
Viele japanische Speisen lassen sich einfacher zubereiten, als vielfach angenommen wird. Du beschreibst das auch in deinem Buch. Welche Rezepte aus deiner Sammlung würdest du jemandem empfehlen, der zum ersten Mal Gäste mit japanischem Essen bewirtet?
Prinzipiell lässt sich beinahe alles mühelos auch für ungeübte KöchInnen nachkochen – einfach treiben lassen und der eigene Appetit entscheidet.
Kochen ist Freiheit. (Stevan Paul)
Supereinfach gelingen die eingelegten Gemüse, Misosuppen und Salate. Ein guter Start ist auch die Doppel-Seite „Speisekammer-Prinzip“ mit vielen Mikro-Rezepten, Würzpasten und aromatischen Ölen, die sich auf Vorrat zubereiten lassen und lange haltbar sind. – Oft braucht es dann nur noch ein bisschen Gemüse und Reis und es kann losgehen!
Beim Kochen für Gäste gilt gerade auch in der japanischen Küche: einfach Gerichte, die sich gut vorbereiten lassen, sorgen auch bei den GastgeberInnen für Entspannung!
Abschließend die naheliegende Frage: Können wir auf eine Fortsetzung hoffen und wenn ja, wann?
Ich beschäftige mich seit meiner Lehrzeit mit der japanischen Küche, liebe die Energie, die Philosophie des Einfachen. Ich hätte es mir dennoch nicht vorstellen können, jemals ein Buch zur japanischen Küche zu schreiben. Jetzt sind es schon zwei und ich will nichts ausschließen. Ich habe da schon so eine Idee… (lacht) Mal sehen!
80 vegetarische Rezepte für japanisches Essen
Das Buch enthält 80 vegetarische Rezepte, die vor allem in Hinblick auf die Vorspeisen und Snacks hundertfach variiert werden können. Viele Speisen sind gut vorzubereiten und lassen sich fantastisch aufbewahren. Wer sich vorsichtig der japanischen Küche nähern will: Mit diesem Buch ist das einfach und ohne besonderen Aufwand möglich.
Für einen ersten Versuch eignet sich dieses Rezept:
Grüner japanischer Gemüsesalat mit Sesam-Vinaigrette nach Stevan Paul
Kurz und kanpp: Meine grüne japanische Küche
Autor: Stevan Paul
Erschienen im Hölker Verlag
ISBN: 978-3-88117-247-9
Seiten: 224
Format: 20 x 26,5 cm
Hardcover
Originalfassung vom 21. Mai 2021.
Sehr anregend.
Erstaunlicherweise ist durch die Farbigkeit,Brillanz und Detailtreue, mit der heute Eindrücke scheinbar spielend vermittelt werden können ,ein nicht zu unterschätzender Teil der so schwer vermißten unmittelbaren Reiseerfahrungen auf eine erquickende Weise aufgewogen.
Vor allem dann, wenn man den vielfältigen Anregungen einfach mal folgt – und sei es zuerst nur ein bißchen Sesam zu rösten ,da hat eine Reise der überraschenden Entdeckungen schon begonnen…..