Bregenzerwald. Beschauliche Dörfer, köstliches Essen, traditionelles Handwerk, Natur. – So einfach könnte man den Bregenzerwald, der zum österreichischen Bundesland Vorarlberg gehört, beschreiben. Aber es wäre zu einfach.
Die „Wälder “ sind ein besonderes Volk. Ob es an der Nähe zur Schweiz liegt oder an anderen Gegebenheiten. Ich weiß es nicht. Im Bregenzerwald wirkt alles ein wenig niveauvoller, gründlicher konzipiert und zu Ende gedacht. Immer ist zu spüren, dass die Menschen hier eine besonders feste Bindung zu ihrer Heimat haben, Gewachsenes erhalten wollen, aber neuen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen sind. Ihr Talent, altes Mauerwerk mit moderner Architektur zu verbinden, ist beispielhaft und wird weltweit gelobt. In der Küche halten traditionelle Rezepte und Zutaten Einzug in die Haubenrestaurants. Das holzverarbeitende Gewerbe spielt eine große Rolle, aber auch dem Tourismus ist ein guter Teil des Wohlstandes dieser Region zu verdanken.
So ist wohl auch der „Umgang Bregenzerwald“ entstanden. Zwölf Spaziergänge durch dreizehn Bregenzerwälder Dörfer, die den Besucher hautnah mit Gebäuden, Besonderheiten der Landschaft, regionalem Handwerk, Kunst und kulturellem Erbe in Berührung kommen lassen.
Umgang Bregenzerwald – Was bedeutet das?
Zunächst einmal findet der Besucher in dreizehn Gemeinden des Bregenzerwaldes Markierungen in Form von nostalgisch angerosteten Stahlrohren am Wegesrand. Diese Stahlsäulen kann man einfach so entdecken oder sich ihnen gezielt nähern. Dann nämlich, wenn man einen, der jeweiligen Gemeinde zugeordneten, Umgebungsplan in der Hand hält.
Auf zwölf Faltplänen für die Gemeinden Hittisau, Krumbach, Langenegg, Lingenau, Egg, Andelsbuch, Schwarzenberg, Bizau, Bezau/Reuthe, Mellau, Au und Schoppernau sind jeweils eineinhalb bis vierstündige Spaziergänge verzeichnet, die der Besucher ganz oder auch in Teilabschnitten gehen kann. Auf diesen erfährt der Besucher Wissenswertes über die Gebäude, aber auch ein paar statistische Werte und immer eine Besonderheit in der Bauweise. Für architekturbegeisterte Besucher des Bregenzerwaldes sind diese Rundgänge also sowieso ein „Muss“!
Was gibt es zu sehen?
Die Infosäulen befinden sich jeweils vor außergewöhnlichen Gebäuden des Dorfes. Das können traditionsreiche Hotels, Restaurants oder Museen dabei sein, genauso wie ein neu gebauter Kindergarten oder eine Aufbahrungshalle auf einem Friedhof. Jeder der vorgestellten Orte ist in besonderer Weise für die Entwicklung dieses Landstriches typisch oder liegt den Bewohnern besonders am Herzen.
Auf der Oberseite der Stahlsäule befindet sich ein Sichtfenster. Drückt man auf einen seitlich angebrachten Knopf leuchtet es im Inneren und eine Zeichnung des Gebäudes wird sichtbar. Nun kann man sich mithilfe eines QR-Codes (ebenfalls an der Säule angebracht) mehr Infos aufs Handy holen oder man sieht in die Beschreibung auf dem Faltplan.
Ich habe mir das Frauenmuseum in Hittisau angeschaut, welches ich an anderer Stelle bereits einmal vorgestellt habe, aber vor allem auch die Wälder Versicherung in Andelsbuch. Dieses Gebäude zeigt sehr eindrücklich, wie die Architektur öffentlicher Gebäude im Bregenzerwald die Elemente der Umgebung aufnimmt.
→ Der Bregenzerwald überrascht: Frauenmuseum Hittisau ←
Die Wälder Versicherung in Andelsbuch
Das Haus der Wälder Versicherung ist ein Neubau aus dem Jahr 2013. Es steht inmitten des Ortskerns von Andelsbuch, nur wenige Meter vom Werkraum Haus entfernt. Das alles ist kein Zufall, denn die Wälder Versicherung nimmt in der Region noch immer einen hohen Stellenwert ein. Die Versicherung ist sich ihrer Wurzeln bewusst und hat für den Bau des Gebäudes einen Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Eingeladen wurden Architekten aus der Region, bzw. Architekten, die mindestens ihre Wurzeln in der Umgebung hatten. Heraus kam ein schnörkelloser Baustil, der die örtlichen Gegebenheiten respektiert und sich der guten handwerklichen Fähigkeiten des umliegenden Meisterbetriebe bedient. Wer 90 % der Aufträge zum Bau des Hauses bewusst in der Region vergibt, zeigt eindrucksvoll, dass ein „in der Region – für die Region“ möglich und wirtschaftlich nachhaltig sein kann.
17798 gegründet, ist die Wälder Versicherung nun schon weit über 200 Jahre alt. Viele der Bregenzerwälder Haushalte halten noch immer ihre Verträge über Haushaltversicherung und Feuerschutz bei ihr. Die enge Verbindung zahlt sich aus. Im Gegenzug hat das Unternehmen, das für Wäldertugenden wie „Handschlagqualität“ und rasches Handeln steht, viel für die Region getan, sponsert Kunstprojekte oder öffnet eben auch das Firmengebäude für die Anwohner.
Ich komme an einem regnerischen Wochentag. Die Versicherung hat geöffnet, also ist das Gebäude frei zugänglich. Obwohl der Himmel tief grau erscheint, wirkt der Empfangstresen gleich neben dem Eingang hell. Die daneben liegenden Büroräume ebenso und eine große Treppe zeigt den Weg nach oben. Ich werde heute geführt, aber auch andere Interessierte erhalten auf Anfrage Zugang zu den weiteren Stockwerken des Gebäudes.
Wie überall im Bregenzerwald ist viel Holz verbaut. Das, in Kombination mit großen Glasfronten, macht für mich den Charakter des Hauses aus.
Ich erfahre, dass es sich um Weisstanne handelt und keine Fichte. Das ist entscheidend, denn die Weisstanne ist ein wichtiger Baum für die Berghänge der Region. Die Weisstanne ist tief verwurzelt und schützt dadurch in den Hanglagen vor Lawinen. Da ein Kahlschlag an den Hängen des Bregenzerwaldes nie erlaubt war, ist die Weisstanne immer inmitten eines bunten Mischwaldes zu finden. Für die Architekten des Bregenzerwaldes ist die Weisstanne Hauptbaustoff sowohl im Außenbereich, als auch für die Innenausstattung der Gebäude.
Ich stutze über die schwarzen Balken, die sich über das ganze Gebäude verteilen. Sind die angemalt? Die Angestellten lachen. Nahezu jeder, der das Gebäude betritt stolpert nämlich über dieses Element. – Der Bezug zur Geschichte des Unternehmens ist fix hergestellt. Die Wälder Versicherung entstand nach einem großen Brand im Jahr 1790. Die Balken sind nicht angemalt, sondern tatsächlich schwarz gebrannt und sollen so an den Gründungsgrund des Unternehmens erinnern. Ein angemalter Balken hätte dem Grundsatz der Ehrlichkeit wiedersprochen. Für eine Versicherung ein „No-Go“. Insofern kamen nur verbrannte Balken in Frage. Wer genau hinschaut, wird den Unterschied erkennen.
Noch heute setzt die Wälder Versicherung hier im Ort auf eine starke Gemeinschaft. Der obere Teil des Gebäudes wird für Veranstaltungen genutzt oder kann gemietet werden. – Der alte in das Gebäude zu integrierende Kastanienbaum gibt ein weiteres Zeugnis davon.
Ich habe genug gesehen und spaziere in den kommenden Tagen noch einige Male in Bizau, Krumbach und Hittisau die markierten Wege des Umgangs entlang. Für mich waren es immer nur Teilstücke. Für einen nächsten Besuch habe ich mir einen kompletten Rundgang vorgenommen. Vielleicht könnte es das romantische Schwarzenberg sein? Wir werden es sehen…
Umgang Bregenzerwald
♥ Wer sich informieren möchte, erhält in den Tourismusbüros und im Buchhandel die einzelnen Faltpläne. Der Plan für den Ort, in dem man wohnt, ist hierbei kostenlos. Die Pläne sind in deutsch/englisch erhältlich.
Alle 12 Faltpläne im Folder kosten 5 €. Ein Buch zum Projekt incl. den Faltplänen im Folder kostet 29 €. (Stand 2016)
Die Spaziergänge können größtenteils auch im Winter unternommen werden. Eine interaktive Karte mit Länge der Touren und Zeitangaben findet man hier.
Wer im Bregenzerwald unterwegs ist, für den empfiehlt sich die Gästekarte. Wer in Besitz dieser ist, kann das Busnetz der Umgebung umfänglich nutzen und kommt damit „ordentlich rum“!
Offenlegung: Vorarlberg Tourismus hat mich zu einer Reise durch den Bregenzerwald eingeladen. Ich war in meiner Berichterstattung jedoch völlig frei.
Na ja, der Bregenzerwald ist sowohl im Sommer, als auch im Winter attraktiv. Mit unseren Kindern genießen wir die frische Luft in den Bergen im Winter, wenn die Kleinen ihre Aufrüstung anziehen und im Schnee tauchen:) scheinende Sonne erhellt unsere Erinnerungen an den Winterurlaub in Österreich! Danke für tolle Ideen!
Danke für die guten Impressionen aus dem Bregenzerwald. Bekannte hatten sich dort ein Appartement gemietet. Vielleicht solle ich dem Bregenzerwald auch einmal einen Besuch abstatten.
Spannend, welche Kunstwerke man auf einer Wanderung bewundern kann. Ausführlicher, sehr informativer Bericht, danke!
Der Bregenzerwald ist wirklich für architekturinteressierte Natur-, Käse- und Weißtannenliebhaner ein Eldorado aus meinen zwei Reisen durch den Bregenzerwald kann ich dem ausgezeichneten Bericht von Charis nur voller Lob zustimmen!
Andreas