„Ein Hoch auf die Zukunft“ ist das Motto, unter dem die Tourismusregion Südtirol die Hamburger Presse in dieser Woche einlud. Eigentlich ein ganz normaler Termin. Die Touristiker kommen begleitet von Hoteliers, Repräsentanten und Köchen nach Hamburg und erzählen in angenehmer Atmosphäre, wie sie sich die Entwicklung ihrer Region in den nächsten Monaten vorstellen. Im Sommer geht es ums Wandern, neue kulinarische Konzepte und dergleichen. Im Winter oft um den Ausbau von Skigebieten – eben alles, was die Gäste begeistern könnte. Ungewöhnlich wird ein Abend wie dieser, wenn vom üblichen Prozedere abgewichen wird. Südtirol Tourismus hat diesen Schritt in seiner jüngsten Präsentation gewagt.
Die Sinne anregen
Zunächst ist alles wie immer: nach der Begrüßung gibt es Südtiroler Küche und einen naturbelassenen Wein von den Weinbergen des Überetsch (Weingut Thomas Niedermayr ), den der Hotelier Gregor Wenter vom Sarntaler Hotel Bad Schörgau mit nach Hamburg gebracht hat. Sein neuartiges Kulinarik-Konzept La FuGa, was übersetzt sinngemäß „Abhauen“ bedeutet, basiert auf sehr freien Interpretationen klassischer Gerichte. So gibt es zu einer als Tomate angerichteten Fleischpaté einen Löffel intensiv aromatisches Tomateneis. Die wunderbar zarte Keule der Waldente, die den Hauptgang dominiert, wird mit Rübenkraut und fermentierter Rote Bete angerichtet. Das sind ungewohnte Geschmacksnuancen, die jedoch allesamt auf Produkten der Region beruhen und bei den Gästen Begeisterung hervorrufen.
Mehr Informationen und Bilder zu La FuGa auf der Seite des Hotels. Dort sieht man die Paté in Tomatenform deutlich besser, als auf meinem abendlichen Handyfoto. Die Gerichte, die nach Angaben von Wenter mit ca. 80 % weniger Salz auskommen, haben für mein Empfinden überdurchschnittlich gut geschmeckt. → Bad Schörgau
Umdenken
Je weiter der Abend fortschreitet, umso spannender wird es und Südtirol beweist sich einmal mehr als Vordenker. Neben Speis und Trank werden neue Ansätze präsentiert. Dies geschieht völlig ohne Zuhilfenahme technischer Mittel. Kein Film, keine Show, keine Fotos: einfach nur das gesprochenen Wort. Selbstverständlich noch immer mit dem Ziel, Südtirol in einem guten Licht darzustellen und Lust auf’s Reisen zu machen. Das ist schließlich die Aufgabe des Tourismusverbandes.
Aber während Tourismuskampagnen nur zu gern die Probleme ausblenden, die sich aus Overtourism und Klimawandel ergeben, zeigt sich in den Ausführungen der Protagonisten eine erfrischende und bisher kaum gekannte Offenheit.
So kommt es, dass die freundlichen Worte Michil Costas vom Luxushotel La Perla in Corvara unmißverständlich deutlich machen: wir wollen Gäste, sie sind uns willkommen, aber nicht um jeden Preis. Diese Präsentation wird nicht zu einem weiterem „Schneller – Höher – Weiter“, sondern zu einem offenen Austausch darüber, wie Ferien in Südtirol umweltverträglicher, nachhaltiger und somit auch in der Zukunft noch vertretbar bleiben können. Es gibt ein klares „Nein“ zu weiteren Bettenburgen. Und ein „Ja“ zum sinnvollen Ausbau vorhandener Strukturen.
Ich finde das neue Bewusstsein und die deutlichen Worte vor allem von Michil Costa ungewohnt mutig und fortschrittlich, Gleichzeitig längst überfällig, denn diese ehrliche Konfrontation mit der Gegenwart wird dringend gebraucht. Obwohl der Raubbau an Natur und Ressourcen in vielen Regionen spürbar ist, bleibt das Thema weitestgehend ein Tabu.
Eine Aufgabe für alle
Natürlich bleibt Tourismus ein Zusammenspiel aus vielem: die Anbieter in der Region müssen sich großflächig auf dieses Umdenken einlassen. Dafür sind Grundlagen nötig. In Südtirol zum Beispiel durch ein neues Raumordnungsgesetz, welches ab 2020 gilt. Die alte Verordnung stammt aus den frühen 70er Jahren und wurde von Südtirols wirtschaftlichem Aufschwung längst überholt. Durch das neue Gesetz soll eine nachhaltige gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung gefördert werden. Es soll weniger Neubauten und Großprojekte geben und die Zersiedelung aufgehalten, damit Südtirols schützenswerte Natur- und Kulturlandschaft erhalten bleibt.
Wenn stimmt, was Michil Costa allen Zuhörern mit auf dem Weg gibt, dann werden wir in den kommenden Jahren die Dolomiten an einigen Tagen im Jahr autofrei erleben, werden wir mehr Fahrrad fahren und an den öffentlichen Verkehrsmitteln Gefallen finden. Die Ansätze des Hoteliers, der das Gemeinwohl zum ökonomischen Ziel seines Fünf Sterne Hauses erklärt hat, klingen ungewohnt und für den einen oder andern möglicherweise unbequem. Er hat den Veggie-Day an Freitagen eingeführt, will, dass seine Mitarbeiter bestimmen, wie erwirtschaftete Gelder reinvestiert werden, lässt im hoteleigenen Pool den Koch neben den Gästen schwimmen und gibt auch jungen Menschen mit Trisomie 21 eine Chance. Er sagt „Die Faszination dieses Hauses liegt weniger in dem was es bietet, sondern in dem worauf es verzichtet.“.
Der Südtirol-Tourismus hat mit seinen Repräsentanten aus dem Sarntal und Corvara zwei Pioniere mit nach Hamburg gebracht. Ob sie den Nerv der Zeit getroffen haben, bleibt abzuwarten. Michil Costas Ansage „Schönheit ist ein Wegweiser“, gibt auf jeden Fall die Richtung vor.
Hotel La Perla in Corvara → La Perla
Ideen für Ferien in Südtirol finden sich zahlreich im Schönste Zeit Magazin
Reiseziele in Südtirol → Reiseziele in Südtirol
Ansonsten selbstverständlich auf der Seite der IDM → Südtirol Info *keine bezahlte Werbung
Tourismus ist immer ein zweischneidiges Schwert. Dabei allen Recht machen geht es nicht. Irgendwelche Interessen werden dabei immer in den Hintergrund treten müssen. Bedingt auch dadurch, das der Gast vorrangig an sich selbst und sein kurzfristiges Vergnügen denkt. Im Bereich Luxus Chalet in Südtirol wurde das ganz gut in Bozen umgesetzt. Hat vielleicht aber auch mit dem Klientel zu tun
Liebe Charis,
das Umdenken ist wichtig und richtig. Aber nicht nur Südtirol ist hier fortschrittlich unterwegs. In vielen Landteilen Österreichs, die zu den touristisch starken Regionen zählen, wird versucht, Wirtschaft und Ökologie miteinander zu verbinden. Gerade im Immobilienbereich wird viel getan. Es gibt tolle Projekte, wo alte Hotelbauten grün modernisiert werden mit Ladestationen für Elektromobilität etc. Auch der „Zwang“ zur Vermietung von Ferienimmobilien hilft, um leerstehende Ferienhäuser zu vermeiden. Am Ende haben weder die Einheimischen noch die Touristen etwas davon, wenn Landschaft und Kulturgüter ausgebeutet werden.
Viele Grüße
Melissa