6.000 Jahre alt sind die Traubenkerne, die man in einer kellerartigen Grotte voller Tongefäße in Armenien gefunden hat. Noch älter sind die Spuren von Harz und Weinstein, die man in Krügen aus Kellern im Iran entdeckte. Nicht ganz so alt sind Spuren von Traubensamen aus der Eisenzeit und Ausgrabungen in Stuhles/Brixen, die auf einen Weinbau im Alpenraum schon vor 3.000 Jahren schließen lassen. Weinkeller also in einem der ältesten Weinanbaugebiete von dem schon die Römer berichteten: Marcus Portio Cato in seinem Werk „de agri cultura“ und Plinius über die Übernahme von Holzfässern der Räter. Der älteste bestehende Weinkeller Südtirols (1142) ist noch in Betrieb und befindet sich unter dem Augustiner Kloster Neustift.
Entwicklung der Baukultur Südtirols bis zum Zweiten Weltkrieg
Südtirol kann seit den Agilolfingern, der ältesten bayrischen Herzogsdynastie und den fränkischen Karolingern (zwischen 600 und 800 n.Chr.) über alle Stilepochen – Romanik, Gotik, Barock, Klassizismus und Jugendstil – auf hervorragende Bauwerke zurückblicken. Gewissermaßen als Brennpunkt der europäischen Baukultur aufgrund der Lage als klassisches Verbindungsland zwischen Nord und Süd. Erst die Annexion Südtirols durch Italien nach dem ersten Weltkrieg brachte eine einschneidende Zäsur der Baugeschichte dieser Region durch die Zwangsitalienisierung in der Faschistenzeit unter Mussolini (1924-1943), mit der Ansiedlung von Industrie und Arbeitern aus Italien.
Die öffentlichen Bauten jener Jahre entstanden zunächst im Stil des vom deutschen Bauhausgedankens beeinflussten „razionalismo“ und später in der Formensprache eines pathetischen Neoklassizismus. Die Bauten dieser Zeit – zum Teil erstklassige moderne Architektur – erschienen den Südtirolern fremd und zudem als Symbol der faschistischen Besetzung. Deutschsprachige Architekten wurden an der Berufsausübung gehindert und die wenigen in der Zwischenkriegszeit entstandenen beispielhaften Bauten von u.a. Clemens Holzmeister und Lois Welzenbacher ( →Briol) entfalteten keine Breitenwirkung.
Der Zweite Weltkrieg als Zäsur: Stagnation und Neubeginn
Nach dem Zweiten Weltkrieg fand Südtirol nicht so schnell den Anschluss an die internationale Moderne. Grund war neben der Ablehnung rationalistischer Bauten, eine konservative Haltung mit der Anlehnung an die bäuerlichen Bauten des Alpenraums, die sich allerdings nicht für die modernen Funktionen wie Hotels, Wohn- und Gewerbebauten eigneten. Die Missgriffe pseudotirolerischer Dekorationen befriedigten auch nicht den Lebensstil einer modernen Gesellschaft. Eine junge Generation von Architekten brachte schließlich neue Ideen von ihren Studienplätzen im In- und Ausland mit, die durch das Wettbewerbswesen der Landesregierung bewusst gefördert wurden.
Zwischenzeitlich hatte sich der Weinbau im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in Südtirol grundlegend verändert. Der bisherige Absatz von Fasswein zu fremder Abfüllung stockte, Qualität statt Quantität wurde gefragt und der Siegeszug anspruchsvollerer Weine in der 0,75 l Flasche begann zusammen mit dem Wechsel vom alles bestimmenden Vernatsch zu frisch-fruchtigen Weißweinen.
Moderne Kellertechniken, hochwertige Weine – Der Beginn einer Erfolgsgeschichte
Neue Kellertechniken hielten Einzug und verlangten nach dazugehörigen Kellerräumen. Die herausragenden Beispiele der Pioniere dieses Wandels, die neuen Weingüter Lageder (1995, Arch. Abram + Schnabl) und Manicor (2004, Arch. Walter Angonese) fanden großen Anklang bei den Besuchern und Käufern, nicht nur mit der hohen Qualität der Weine sondern auch der neuen Architektur.
Private Kellereien aber auch Kellergenossenschaften suchten Lösungen für ihre Neu- und Umbauten über Architektenwettbewerbe und erhielten dadurch kreative und innovative Lösungen, die internationales Aufsehen erregten.
Neben den genannten Initiativprojekten Lageder und Manincor entstand in den letzten Jahrzehnten ein gutes halbes Hundert architektonisch bemerkenswerter Kellereineubauten. Darunter auch die Kellereigenossenschaften Meran-Burggräfler (Arch. Werner Tscholl), Nals-Magreid (Arch. Markus Scherrer), Terlan (Arch. Trauer Vonmetz), Bozen (Arch. Dell’Agnolo Kelderer), Girlan (Arch. Trauer Vonmetz), Schreckbichl ( Arch. bergmeisterwolf), St. Michael (Arch. Arch. Walter Angonese), Kaltern (Arch. feld 72), Tramin (Arch. Werner Tscholl) und Eisacktal ( Arch. Markus Scherer).
Alle Neu- bzw. Umbauten erhielten die fortschrittlichste Kellertechnik und neben funktionellen Kellerräumen auch anspruchsvolle Besucher- und Verkaufsräume, die den Wunsch vieler Weinfreunde erfüllen, neben den Weinberglagen auch die Weinherstellung in gut gestalteten Räumen kennenzulernen und weiterzuempfehlen.
Besondere Architektur als Marketinginstrument hat sich mit gutem Ruf entwickelt und ein Wein- und Kellertourismus durch Südtirol begann. Es ist sicher richtig zu behaupten, dass neben den neuen Schulbauten die neuen Weinkellereien den Umschwung zur modernen Architektur in Südtirol mit sich brachten.
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