Stimmengewirr, Gedränge, Touristengruppen: Es ist Nachmittagstrubel in Salzburgs Altstadt. Durch die berühmte Getreidegasse schieben sich unendlich viele Menschen. Wir drängen an den mit Selfiestangen und Technik beladenen Hobbyfotografen vorbei, passieren das Mozarthaus und einen Feinkostladen, der schon in Mozarts Kindheit existierte. Unser Ziel ist der Schirmmacher Kirchtag.
Ein paar Meter weiter verweist ein Zunftzeichen auf einen Handwerker im Gebäude. Oben am Haus hängt ein Schirm aus Metall, ein verlässliches Indiz, dass es sich hier um einen Schirmmacher handelt. Die Salzburger Getreidegasse 22 ist das Stammhaus des Traditionsbetriebes Kirchtag. Es kann auf eine lange und abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken. Die Kirchttag Schirmmanufaktur wurde 1903 gegründet und ist seit über einhundert Jahren im Familienbesitz.
02.02
Der erste Eindruck: Ein Blick ins Traditionsgeschäft
Besucher Salzburgs sehen zuerst das Ladengeschäft Kirchtag, dass durch die Lage in der Getreidegasse einen attraktiven und gut frequentierten Standort hat. Im modernen Shop in einem historischen Stadthaus werden qualitativ hochwertige, meist jedoch industriell hergestellte Regenschirme in vielen Farben und Größen angeboten. Weil sich Schirme und Lederwaren gut ergänzen, gibt es außerdem Portemonnaies, Taschen, Reisegepäck und Spazierstöcke. Im Grunde ein ganz normaler Laden, wenn es nicht dieses eine, besondere Extra gäbe!
Nur wenigen Kunden und Kundinnen ist bewusst, dass sie sich in einer der wenigen noch erhaltenen Schirmmanufakturen Österreichs aufhalten. Denn wer das Besondere sucht, einen handgefertigten Stockschirm, der wird bei Kirchtag bis heute fachkundig beim Kauf eines in allen Teilen handgefertigten Schirmes beraten. Die Werkstatt liegt in einer oberen Etage des Gebäudes. Wer sie besucht, darf sich auf besondere Einblicke in ein Traditionshandwerk freuen.
Schirmmacher Kirchtag: Eine Schirmmanufaktur mit Tradition
Um zur Schirmwerkstatt zu gelangen, wird das Haupthaus in der Getreidegasse verlassen. Aus einem Durchgang zum Hinterhaus geht es in einem etwas in die Jahre gekommenen Lift einige Stockwerke nach oben. Die Werkstatt befindet sich unter dem Dach des Hauses. Kaum eingetreten, erfüllt sich die malerische Vorstellung eines traditionellen Handwerksbetriebes mit Werkstatt, Kontor, Zutatenlager und Näherei. Alles sieht so aus, wie man sich einen Schirmmacher eben so vorstellt.
Gleich im ersten Raum warten hölzerne Schirmstöcke. Sie liegen in großen Regalen, warten auf ihren Einsatz oder werden für die Produktion vorbereitet. Jeder Schirmstock ist fein säuberlich beschriftet und nach Holzart sortiert. Es gibt tief dunkle Mahagonigriffe oder helle Hölzer, die an Kirschbaum oder Birne erinnern.
Später werden wir noch einen Lagerraum entdecken. Er ist ebenfalls bis zur Zimmerdecke mit Regalen für Zubehör von der Öse bis zur Bergspitze gefüllt. Außerdem gibt es ein Kontor für alle Schreibarbeiten und einen helles Nähatelier, in dem die Schirmbespannung genäht und aufgezogen wird. Doch von vorn.
Baumstämme, aus denen Regenschirme werden
Wir beginnen mit unserer Führung in der Werkstatt mit der Stockfertigung. Es ist schon spät am Nachmittag und deshalb wird bereits aufgeräumt. Für uns ist das eine geeignete Situation, sich in Ruhe die Fertigung erklären zu lassen. Am Tag, während der Schirmproduktion, ist es laut und kaum genug Zeit für einen Blick auf die teilweise recht altertümlichen Maschinen.
Wie beschrieben lagern in deckenhohen Regalen zahlreiche Schirmstöcke, die nach Holzart geordnet sind. Ihre Anfertigung ist das Kernstück der Schirm-Produktion und nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Je nach Ursprung haben sie eine unterschiedliche Färbung: Birne, Ahorn, Kirsche und Esche sind dabei, tropische Hölzer wie Palisander, Rosenholz und Teak oder seltene Besonderheiten wie Wenge oder Schlangenholz.
Die Schirmmanufaktur Kirchtag kauft dafür ganze Baumstämme ein, die in Deutschland zu groben 5 x 5 cm großen Griffstöcken gesägt werden. Über Dampf wird das Holz sorgfältig gebogen und muss dann vorsichtig trocknen. Erst wenn der Trocknungsprozess vollzogen ist, wird der Rohling in eine runde Form gefräst. Der Griff erhält durch Handarbeit seine kirchtagstypische Form, die auch Nase genannt wird. Das klingt eigen, aber ist tatsächlich so: Einen Kirchtag-Schirm kann der Kenner noch heute an seiner Griffform erkennen.
Diese Hölzer bietet Kirchtag für Griffe an
Apfel – Esche – Birne – Eiche – Hickory – Kirsche – Nussbaum – Ulme
Außerdem gibt es für Trachtenschirme Griffe mit einem speziellen Rindengriff.
Das Geheimnis der Holzschirme ist die Politur ihrer Griffe. – Nachdem die Stöcke in die gewünschte Form gebracht sind, werden sie für einige Tage in Leinöl eingelegt. Dieser Prozess bringt es mit sich, dass das vollgesogene Holz nun mehrere Monate zum Trocknen benötigt, aber dafür nach Abschluss des Vorgangs auch umso widerstandsfähiger ist. Die Schirmstöcke werden gelagert, dann sechsfach geschliffen und letztendlich vom Seniorchef des Hauses mit Bienenwachs poliert. Das benötigt handwerkliches Geschick und schwierig, garantiert jedoch, dass der Stock diesen besonderen schmeichelnden Griff bekommt, dessentwegen man ihn nicht mehr aus den Händen geben mag.
In der Stockfertigung bekommt der Griff außerdem noch eine Mechanik, zu der eine Feder gehört, die den Schirm zusammenhält. Die Feder ist aus Klavierseitendraht und wird mit einer Maschine in den Stock eingebracht, die es in dieser Form inzwischen gar nicht mehr zu kaufen gibt. Alle anderen Metallteile, die zum Stock gehören, werden in Österreich hergestellt und in diesem Raum montiert.
Berg- und Schirmspitzen: Ein Blick ins Ersatzteillager
Nun gehen wir weiter, passieren ein kleines Lager mit unzähligen Kisten und Schirmspitzen, Stöcken und Material. Ein seitlicher Blick in das Kontor und schon stehen wir in der hellen Nähstube, die einen Blick über die Dächer der Salzburger Altstadt erlaubt.
In der Näherei werden die Schirme mit Stoff bespannt. Dicht gewirkte Mailänder Baumwollstoffe, Mikrofasern, Polyester und Nylon lagern in allen denkbaren Farben und werden nach Kundenwunsch konfektioniert.
Auf einem Tisch liegen dicht beschriebene Pappschnittteile bereit. Ihr Alter lässt sich an den Notizen zur Verarbeitung ablesen, die nach und nach darauf vermerkt wurden. Allein dieses Detail mutet wie ein riesiger Schatz an.
Während an der Fensterseite des Raumes die Nähmaschinen stehen, hängen gegenüber an der Decke die vorbereiteten Schirme mit ihren Spannvorrichtungen aus Metall. Ohne Stoff haben sie den Charme eines Spinnenskelettes. Direkt darunter steht ein Ständer, in dem riesige bedruckte Schirme stecken. Was ist das?
Ohne Kirchtag stände das Red Bull Racing Team im Regen
Schirmmacher Kirchtag fertigte lange nur für Einzelkunden an. Bis auf eine einzige Ausnahme, für den Autohersteller Porsche. Der Grund ist leicht zu erklären: mehr als 400-500 Schirme pro Jahr lassen sich mit traditionellen Produktionsmethoden kaum produzieren.
Doch dann kam eines Tages der österreichische Rennstall Red Bull, ebenfalls in Salzburg ansässig, auf Kirchtag zu. Für den Salzburger Traditionsbetrieb eine Frage der Ehre. Diesen Großauftrag konnten und wollten sie nicht ablehnen. Wenn es nun während eines Formel 1-Rennens regnet und beim Red Bull Racingteam ein Stockschirm mit Logo aufgespannt wird, hat er einen guten Namen. Es ist ein Schirm vom Schirmmacher Kirchtag aus Salzburg.
2015 werden pro Saison 41 Stockschirme im aktuellen Style der Rennsportprofis genäht. Zwanzig bekommt das Racing Team, zwanzig gehen an Toro Rosso und jeweils einen Schirm behält die Manufaktur selbst. Fans würden sich zerreißen dafür. Im Atelier von Kirchtag werden sie mit einem stolzen und bescheidenem Lächeln präsentiert.
Was kostet ein Kirchtag-Schirm?
Wir sind am Ende unserer Führung. Die Umsätze, die das Unternehmen Kirchtag wettbewerbsfähig macht, werden längst durch den Verkauf industrieller Ware gemacht. Ganz einfach, weil Schirme aus Asien deutlich preiswerter sind.
Kirchtag-Schirme sind ihren Preis, der zwischen 200 und 500 € liegt, auf jeden Fall wert. Der weiche, handgemachte Holzgriff, der sorgfältig verarbeitete Schirmstoff: Das alles ist mehr als ein bisschen Material, das den Regen abwehrt.
Kann ein Schirm von Kirchtag repariert werden?
In der Kirchtag Schirmmacherei werden Traditionen gepflegt und ein Handwerk erhalten. Die Regenschirme lassen sich bei Bedarf immer wieder reparieren und sind dadurch ein sehr nachhaltiges Produkt. Der schmeichelnde Griff des Stockes, das edel schimmernde Holz kann jahrelang treu begleiten. Es taugt im Salzburger Schnürlregen genauso, wie auf der New Yorker 5th Avenue. Wer könnte so etwas von einem Handy oder einem anderem technischen Wunderwerk der Gegenwart sagen?
Kontakt Schirmmanufaktur Kirchtag
Getreidegasse 2
A 5020 Salzburg
Tel. +43/662/84 13 10
Auf der Internetseite von Kirchtag lässt sich ein Angebot für einen handgefertigten Stockschirm zusammenstellen. Dafür stehen verschiedene Holzarten, Material und Größe zur Verfügung.
Anreise nach Salzburg
Anreise mit dem Flugzeug: Nach Salzburg werden von vielen europäischen Flughäfen Direktflüge angeboten. Von Hamburg aus fliegt man beispielsweise mit Eurowings. Der Salzburger Flughafen ist etwa 6 km von der Innenstadt entfernt. Nimmt man ein Taxi kann man etwa in 15 Minuten in der Salzburger Innenstadt sein.
Mit dem Auto: Die A8 von München führt von Deutschland aus direkt nach Salzburg. Da diese Autobahnstrecke meist sehr stark befahren ist, sollte mit Stau und einer längeren Fahrtzeit als angegeben gerechnet werden. Unbedingt ist hier die Vignettenpflicht auf österreichischen Autobahnen zu beachten.
Mit der Bahn: Salzburg hat eine ideale Anbindung an das Fernverkehrsnetz der Bahn und ist somit sehr gut und umweltfreundlich von fast allen größeren Bahnhöfen in Deutschland und Österreich zu erreichen. Die umweltfreundlichste Art zu reisen.Weitere Artikel über Salzburg im Schönste Zeit Magazin
Das Hotel Goldgasse ist eine ideale Basis für einen Citytrip nach Salzburg. → Goldgasse | Stadthotel im Herzen der Salzburger Altstadt ←
Ein Rundgang durch die Stadt mit vielen Shoppingtipps und weiteren Traditionsbetrieben → Salzburger Gschichtn | Tipps für die Stadt am Alpenrand ←
Hallo, liebe „Kirchtag-Holz-Stockschirm-Firma im wunderschönen Salzburg! Ich habe Ihre Firma nach 60 Jahren erstmals im Fernseh-Wunschkonzert im NDR im gestrigen Fernsehen gesehen und war begeistert, zumal ich mit 11 Jahren zu Firmung im Passauer Dom so einen Schirm von meiner Firmpatin geschenkt bekam. Er war bzw. ist aus dunkelblauer Baumwolle mit weißen Bordüren bedruckt und außen mit Rüschen umrandet aus hellerem Obstholz-Stock und funktioniert immer noch. Nun möchte ich noch einen zweiten vielleicht in ROT oder JAGD-GRÜN mit bunten Streifen. Vielleicht haben sie eine mittlere bis größere Musterauswahl bis ca. 300 – 400 EUR. Das wäre mein größter Herzenswunsch Sie können mich auch gerne anrufen mit meiner Geheim-Tel.-Nr. Deutschland xxx = nicht sichtbar auf dem Display oder anschreiben. Inzwischen wünsche ich der gesamten Firma noch einen schönen Advent, frohes und großes Weihnachtsgeschäft und das Beste für 2020.