Kerzen macht der Kerzenmann und Lebkuchen kauft man beim Bäcker. So einfach stellte ich mir das vor. Ich wäre im Traum nicht darauf gekommen, das Lebkuchenzelter und Wachszieher in Österreich noch bis vor wenigen Jahren ein und derselbe Lehrberuf waren. Sie gehörten direkt zusammen und wurden zum Beispiel in der Lebzelterei und Wachszieherei Nagy in Salzburg so vermittelt.
Der Besuch fand 2015 statt. Leider musste der 142 Jahre alte Traditionsbetrieb im Sommer 2021 schließen. Dieser Artikel bleibt online, um die Erinnerung an das traditionelle Handwerk der Lebzelterei und Wachszieherei wachzuhalten. Über die Schließung berichtete der ORF.
Der Artikel wurde aktualisiert. Er erschien erstmalig am 3. Dezember 2015.
Über die Lebzelterei und Wachszieherei Nagy
Das Familienunternehmen Nagy hat sich 1879 der traditionellen Herstellung von Lebkuchen und Kerzen verschrieben. Es taucht in bunte Wachsfarben, gießt und bemalt Kerzen in Formen, die bereits seit Generationen benutzt werden. Das Team von Nagy zieht auf alten Maschinen dünne lange Kerzen, die wir als Opferlichter in katholischen Kirchen kennen. Je nach Saison werden unterschiedliche Lebkuchen gebacken und zum Teil kunstvoll bemalt.
Die Kerzen sind besonders, denn bei Nagy achtet man bis heute auf Details. So haben die Kerzen wie früher ein Loch für den Docht des Kerzenhalters – eine Kleinigkeit, die ich aus meiner Kindheit kenne. Damals hatte das nahezu jede Kerze. Heute ist es so gut wie in Vergessenheit geraten. Ich war fast erschrocken, dass ich es so schnell vergessen hatte.
Die auf der Maschine gezogenen Kerzen entstehen, indem ein Docht durch ein heißes Wachsbad geführt wird. Wenn die Kerzen dick genug sind, schneidet man sie ab. Dann sind sie normalerweise fertig. Nicht aber bei traditionsbewussten Nagy: Wie eh und je werden die Kerzen noch angespitzt und von unten mit einem Dochtloch versehen.
In der Werkstatt von Nagy lagern unendlich viele Wachsfarben und Basismaterialien um die Kerzen zu gießen. Sie liegen in dicken Batzen in den Regalen oder sind geschmolzen, in den zahlreichen aufheizbaren Tiegeln, in den Werkstatträumen im Einsatz.
Neben Endverbrauchern zählen Kirchen, Klöster und andere öffentliche Einrichtungen zu den treuesten Kunden der Lebzelterei und Wachszieherei Nagy. Einige lassen sehr große und überdimensionierte Kerzen anfertigen. Um sie gießen zu können, behilft sich Nagy mit einfachen Mitteln. Zum Beispiel wird heißes Wachs einfach in ein Kanalrohr gegossen. So entstehen besonders dicke und große Kerzenformen.
In den Sommermonaten wäre es fast unmöglich diese Kerzen aus dem Rohr herauszuholen. Deswegen legen Nagys die Fertigung dieser Aufträge meist in die Wintermonate. Für sie eine Lösung mit mehreren Vorteilen, denn: Die zeitraubende Herstellung der Lebzelten ist vorbei.
Zu Besuch bei Nagy: Führung durch die Manufaktur
Elisabeth, eine der beiden Nagy-Schwestern führt durch die Räume. Im oberen Stockwerk, dort wo die Kerzen für Hochzeiten, Kommunionen und andere Feiertage mit Farbe, Wachs und Gold verziert werden, bleibt sie vor einem Regal stehen. Es ist eine riesige Sammlung alter Motivkerzen, die der Vater noch eigenhändig entwickelt und bemalt hat. Nach und nach kamen die Kerzen aus der Mode und ihre aufwendige Herstellung gerät mehr und mehr in Vergessenheit. Nun aber, in einer Zeit, in der das Handwerk wieder an Bedeutung gewinnt, sind die alten Motive und Formen möglicherweise bald wieder gefragt. Mir haben einige sehr gut gefallen.
Die Nagy-Backstube: Paradies für Weihnachtswichtel
Wir gehen ein Stockwerk weiter und stehen in einer riesigen Backstube. Es ist April. In dieser Zeit interessiert sich kaum jemand für Lebkuchen, wenn sie nicht gerade in der Bratensosse landen sollen. Ein paar Wannen stehen herum, in denen Honigkuchenteig lagert. Nicht mehr lang hin und der Teig für die Lebkuchen im Winter muss vorbereitet werden, denn die Produktion beginnt früh und der Teig muss einige Zeit lagern. Auch einige Bleche mit den für die Region typischen Lebkuchenschiffteln stehen herum. Sie werden im Salzburger Land zu Fronleichnam verzehrt und müssen rechtzeitig gebacken werden. Noch sind sie knochenhart. Ich breche ein Stück ab und kaue darauf herum. Hm. Es schmeckt, aber für Lebkuchen ist gerade wirklich nicht die Zeit.
Lebzelter und Wachszieher: Ein ausgestorbenes Handwerk
Elisabeth erzählt unterdessen, dass ihre Schwester Ende der 80er Jahre eine der letzten war, die das Handwerk des Lebkuchenzelters und Wachsziehers von Grund auf gelernt hat. Kurz darauf trennte man die Berufsbilder, die durch die Verwendung des Honigs in beiden Produkten so eng miteinander verbunden waren.
Die Familie Nagy wanderte 1879 von Ungarn aus nach Salzburg ein. Seit dieser Zeit betreibt die Familie die Wachszieherei und Lebkuchenzelterei, gibt Rezepte, Tipps und Tricks von Generation zu Generation an die Kinder weiter. Ursprünglich in der Linzergasse angesiedelt, wanderte sie im Jahr 2000 in neue Gebäude in der Sterneckstrasse um. Neben dem Laden befinden sich die Fertigungsräume.
„Gott zur Ehr“ steht auf einer der Wachsplatten in den Regalen. Vielleicht sollte das auch hier das Motto sein: Handwerk wie dieses geht für immer verloren, wenn wir es nicht pflegen und ehren.
Ich habe die Firma Nagy 2015 im Rahmen eine journalistischen Recherche in Kooperation mit Salzburg Tourismus besucht.
Ja wirklich, wer weiß, dass heute schon, das Lebzelter und Wachszieher ein Handwerk war und sogar noch ist. Daher prima, dass du es in deinem Blog verfasst und die Familie Nagy hier vorstellst. Interessant auch, dass bereits Mitte des Jahres mit dem Lebkuchenteig begonnen wird, damit er einfach am gehaltvollsten zur Weihnachtszeit schmeckt :).
Und die Lebkuchen..mmmh.. sehen zum Anbeißen lecker aus :). Man muss nicht mal bis nach Salzburg fahren, sondern kann es direkt bei Familie Nagy im Onlineshop kaufen. Super.
Lieben Dank für deinen Bericht.
Viele Grüße. Conny.
Oh was für ein wunderschöner und herzerwärmender Artikel. Ich bin total darin eingetaucht und habe mich verzaubern lassen. Herzlichen Dank dafür.
und wenn ich mal wieder nach Salzburg kommen sollte gehe ich ganz sicher dort vorbei. So ein Jesuskind aus Wachs hätte ich nur zu gerne-
Irgendwie bekomme ich jetzt Appetit auf Lebkuchen! Ein sehr schöner Beitrag zum OutdoorAdvent! Dankeschön!
Freut mich und ich muss sagen: mir ging es beim Schreiben ebenso! :)
Hi Charis, das ist ein wunderbarer Artikel. Schön geschrieben und die Fotos sind so toll. Ich finde solche handgemachten Produkte einfach schön, da ist die Liebe und die Energie eines Menschen drin. Fast alles was wir benutzen und essen ist von Maschinen gemacht. Ohne Seele. Und ohne Achtsamkeit.
Es ist so wichtig solche Betriebe zu unterstützen. Ich bin ein großer Anhänger von Entschleunigung und Achtsamkeit in unserer Welt. Ich glaube das wir uns wieder viel mehr Zeit nehmen sollten für die Herstellung von Produkten.
Was nützt dieser ganze Plastik-Müll der nur aus Gründen von „so viel und so schnell und so billig wie möglich“ produziert wird? Den Wert eines handgemachten Lebkuchenherzes oder eine liebevoll verzierten Kerze kann man einfach nicht mit Zahlen ausdrücken :-) Danke Dir für den schönen Artikel. LG Jürgen
Vielen Dank für Dein Lob, über das ich mich sehr freue.
Ich finde wie Du, dass vielen Produkten die Seele fehlt und umso mehr freut es mich, wenn ich etwas entdecke, was anders ist.
Dass zu zeigen und einen Teil dazu beizutragen, dass es vielleicht überleben kann, darin sehe ich auch meine Aufgabe als Blogger.
Danke für diesen hochinteressanten Bericht, der ein Plädoyer für die Wiederbelebung, den Erhalt und die Unterstützung des Handwerks ist in einer Zeit, in der wir nur von vorgefertigten Massenprodukten leben – von der Politikermeinung bis zum Lebkuchen. Die Alpen sind der richtige Raum um alte Handwerkskunst weiterzuführen, von der Schnitzkunst über die bäuerliche Käserei bis zu Zelten etwa in Südtirol. Hingehen und Kaufen – das ist Unterstützung zum Überleben.
Andreas