Eine Reise in die japanischen Alpen bleibt, auch im Zeitalter der Digitalisierung, ein spannendes Erlebnis, denn das Eintauchen in die fremde Genuss- und Geschmackswelt Japans ist ein Abenteuer. Allzuoft kommt es vor, dass Lebensmittel in Japan für einen Europäer nur schwer zu identifizieren sind. Produkterklärungen oder Menükarten können nicht gelesen werden und selbst wenn, dann bleibt es immer noch ein Geheimnis, wie bestimmte Gerichte, ein Sud oder eine Marinade gewürzt oder zubereitet werden.
Stevan Paul ist es gelungen so nah wie möglich am Original zu bleiben, findet aber immer wieder Wege, das japanisches Kochen durch eine vereinfachte Wahl der Zutaten alltagstauglich zu machen. Denn das ist ein häufiges Problem bei der Zubereitung fernöstlicher Gerichte: man sucht sich ein Rezept aus und scheitert an genau einer Zutat, die es in unseren Lebensmittelgeschäften nicht einfach so zu kaufen gibt. – Wer kann besorgt sich das Original, wer nicht, der findet in diesem Buch geeignete Lösungswege.
Von Dashi bis Shichimi Togarashi – Warenkunde für Anfänger
Wer sich in die japanische Küche einarbeiten will, braucht zunächst ein gutes Gedächtnis. Eine Vielzahl warenkundlicher Bezeichnungen kommt in der europäischen Küche praktisch nicht vor und so eröffnet Stevan Paul das Buch mit einer kleinen Warenkunde. Unverzichtbare Grundbestandteile der japanische Küche werden vorgestellt und erklärt. Es werden Anregungen zur Beschaffung gegeben und – das zeichnet das Buch aus – Möglichkeiten aufgezeigt, wie man sie ersetzen oder selbst herstellen kann. Diese Hinweise ziehen sich durch das gesamte Buch und stellen sich im weiteren immer wieder als sehr nützlich heraus. Gerade wer nicht in der Großstadt wohnt und einen gut sortierten Asialaden um die Ecke findet, dürfte diese Anregungen für Alternativlösungen sehr zu schätzen wissen.
Diese Produkte und Zutaten werden vorgestellt
Bonitoflocken, Dashi (Brühe aus Kombu-Algen), Gomasio, Ingwersirup ( mit Rezept zur eigenen Herstellung), Katsuobushi, Kewpie-Mayonnaise, Mirin, Nori, Panko (japanische Version von Semmelbröseln; kommen oft zum Einsatz!), Ponzu-Shoyu-Sauce, Ramen, Reisessig, Sake, Sesamöl, Shichimi Togarashi, Shirataki-Nudeln, Soba, Sojasauce, Somen, Teriyaki Sauce, Udon, Umami und Wasabi.
Mein persönliches Lieblingsrezept in der Warenkunde ist die Herstellung von „Gomasio“, einer Mischung aus Sesam und zerstossenem Meersalz. Diese Mischung lässt sich wunderbar selbst herstellen und schmeckt auf einem Sonntags-Frühstücksei einfach fantastisch!
Ramen, Katsu Sando, Tataki – Rezepte für jeden Tag
Um den Einstig in die japanische Küche zu erleichtern, hat Stevan Paul das Buch in mehrere Kapitel unterteilt, die Rezepte unterschiedlicher Genres vorstellen. Von Suppen geht es über Sushi und gegrillte Spezialitäten bis hin zu vegetarischen Gerichten und Süßspeisen. Jedem Kapitel ist eine Einführung vorangestellt. Der Leser erfährt, wie man Ramen richtig geniesst oder was die japanische Tapaskultur ausmacht. Hier zahlt es sich aus, dass Autor Stevan Paul nicht wahllos selbst kreierte Rezepte aneinanderreiht, sondern sich auf eigene Faust durch japanische Bars, Küchen und Restaurants gegessen hat. Er kann glaubwürdig beschreiben, was er erlebt hat und das macht das Buch erst interessant. (Jedenfalls für jene, die selber schon in Japan waren.) Natürlich ist alles mit anschaulichen und farbigen Abbildungen untermalt.
Eine Übersicht über die Kapitel
Dashi, Miso & Ramen-Nudelsuppe, Sushi & Sashimi, Tempura, Der Japanische Grill, Izakaya & Familienküche, Japan Vegetarisch, Süsses, Sake & Co.
Wer sich erfolgreich durch Einleitung und Warenkunde gekämpft hat, wird mit Basisrezepten der japanischen Küche belohnt: die erfolgreiche Herstellung einer nahrhaften Brühe ist ebenso erklärt, wie die (endlich mal) todsichere Anleitung zum Kochen von Sushi-Reis.
Ob es sich bei den Suppen um Dashi, Miso oder Ramen handelt: Stevan Paul stellt alle Grundrezepte vor und gibt Anregungen die wärmenden, gerade im Winter beliebten Suppenbasen schnell und einfach zuzubereiten. Wer sich traut, versucht sich schnell in eigenen Kompositionen. Viel zu einfach sind die Rezepte, als dass man sie nicht passend zu den aktuellen Vorräten im Haus anpassen könnte. Selbstverständlich gibt es auch in diesem Kapitel Anregungen für Variationen. Die aus Kombu-Alge und Bonitoflocken hergestellte „echte“ Dashi kann man beispielsweise mit Sardellenfilets und Graubrot faken. Ob das schmeckt, muss wohl jeder selbst probieren.
Empfehlen kann man viele Rezepte aus diesem Buch. Vor allem die zahlreichen marinierten Gemüse lassen es zu, dass selbst Vegetarier, für die Japan schnell zum Land der Edamame oder zu einer großen Herausforderung werden kann, gut bekocht werden können.
Wer es original mag, sollte rechtzeitig für viele kleine Gefässe und passendes Holzbesteck bzw. Stäbchen sorgen. Die Japaner lieben Holztabletts. Erst wenn man mehrere kleine Schüsselchen (eine ungerade Zahl muss es sein) in unterschiedlichen Ausführungen zusammenbekommt, wird es so richtig autenthisch. (Ich selber muss noch sammeln.) Holz in Kombination mit blauem Geschirr stellt eine gute Ausgangsbasis dar. Unverzichtbar sind Stäbchen und kleine Schüsselchen bzw. Kännchen für die Sojasauce. Die Schüsseln werden niemals symmetrisch angeordnet, sondern sollten immer in ungeordneter Form auf dem Tablett stehen. Wer Grüntee in Schalen reicht oder (noch besser) heißen Sake: Perfekt!
Ein Kochbuch – Ein Team
Es bleibt zu erwähnen, dass Stevan Paul für die Arbeit am Buch begabte Unterstützer hatte: Andrea Thode aus Hamburg hat fotografiert, Meike Graf ist für die fantastische Deko der Food-Fotos zuständig (Daumen hoch) und Gesa Sander hat dem Buch den passenden Rahmen in grafischer Hinsicht verschafft. Alles in allem gelungen.
Ungewöhnlich ist ebenso der Einband des Buches. Die Hardcover haben auf dem Buchrücken eine Art Faden-Bindung, die erlaubt, dass man das Buch beim Kochen aufgeschlagen hinlegen kann. Nerviges Verblättern oder Festhalten der Seite entfällt. Das Buch bietet 100% Kochvergnügen.
Meine japanische Küche
Rezepte für jeden Tag
Autor: Stevan Paul – Fotografie: Andrea Thode – Styling: Meike Graf – Gestaltung: Gesa Sander
ISBN 978-3-88117-951-5
Hölker Verlag
224 Seiten
Format: 20 x 26,5 cm
Hardcover
Schon das Buch ist eine Augenweide, dann aber auch die Farbenfülle der nachgekochten Beispiele in Deiner Buchbesprechung. Und dann noch die ersten Geschmackserlebnisse aus ersten Eigenversuchen– denn der Drang zum Probieren ist ansteckend! Eingelegter Ingwer – nicht schwer – köstlich ! Ei in Sojasauce aromatisiert– ganz einfach–köstlich! Zu schwierigeren Dingen kann man sich vorarbeiten und hilfreich ist auch, dass es in Hamburg eingesessene japanische Köche gibt, die einem das „Urmeter in Paris “ ersetzen u. einen strengen Kontrollvergleich möglich machen.
Danke für die schöne Besprechung!
Liebe Charis. danke dass Du ich mit der japanischen Küche so intensiv beschäftigt hast. Damit hast Du mein fast schon rassistisches Bild von dem Japanfood etwas zurecht gerückt – ich hatte ziemlich schreckliche Geschmackserlebnisse in Tokyo und Osaka, meinen beiden Aufenthalten in Japan unter der Leitung und Begleitung meiner japanischen Architektenkollegen. Vor allem Sushi – das ja heute in keiner Kleinstadt (selbst Brixen) nicht fehlen darf -fand ich schrecklich. gerollter kalter Fisch, brrrr! Naja – vielleicht bin ich ja zu einseitig auf italienische und Südtiroler Küche fixiert, eben als Provinzler. Jedenfalls werde ich in diesem Leben wohl nicht mehr nach Japan kommen – da muss man eben weiße Flächen in der Vita akzeptieren. Jedenfalls nicht nachkochen.
Trotzdem: Dank für diese interessanten Informationen.
Andreas