„Vollpension“ steht in greller Neon-Schreibschrift über der Tür eines Eckhauses im 4. Wiener Bezirk. Und tatsächlich findet man hier, neben einer ungewöhnlichen Geschäftsidee, all das, was Leib und Seele zusammenhält: gutes Essen, wie man es von „Oma“ kennt.
Aktualisiert. Der Artikel erschien erstmalig am 24. Februar 2017.
Team „Oma“: Ein Café als Generationenprojekt
Das Café „Vollpension“ ist ein Generationencafé. Es entstand 2012 als Projekt in Form eines Pop-Up Stores bei der Vienna Design Week. Junge Leute hatten den Geschmack der Heimat für sich entdeckt und Seniorinnen engagiert, die die Kuchen ihrer Kindheit backen konnten. Auch der Tourismusverband wurde darauf aufmerksam und griff das Konzept mit den betagten Damen auf. Das Konzept kam gut an. Darum wurden 2015 die passende Räume gesucht. Nun arbeiten „Junge“ und „Alte“ hier gemeinsam hinter dem Tresen und sorgen dafür, dass sich das bunt gemischte Publikum rundum wohl fühlt.
Flohmarktschick und Häkeldeckchen
Wer das Café Vollpension betritt, steigt zunächst ein paar Stufen herab. Das Café liegt im Souterrain. Die Wände sind unverputzt und weiß gestrichen. Bunt zusammen gewürfelte Flohmarkt-Möbel bilden gemütliche Sitzeinheiten, gemischt aus Sofas und Sesseln. An den Seiten steht allerhand Nippes. Verschnörkelte Lampenschirme, Häkeldeckchen, alte Fotos und gestickte Bilder in alten Rahmen verwandeln den Raum in ein riesiges altmodisches Wohnzimmer. Selbst in den Wirtschafts- und Sanitärräumen bleibt man dem Stil treu: die Geschirrtücher werden in guter alter Manier über Wäscheleinen getrocknet.
Zwischen Topfenstrudel und Toast Hawai
Der Servicebereich des Cafés ist gut ausgeleuchtet. Hinter dem Tresen hantiert gut beschäftigt eine freundliche, aber unverkennbar betagte Dame. Zahlreiche hausgebackene Kuchen warten unter großen Glashauben auf hungrige Mäuler, um dann in großen Stücken auf die Teller zu wandern. Schokotorte, Strudel oder ein großes Stück, belegt mit saftigen Früchten? Leicht ist es nicht, sich zwischen dem verlockenden Zuckerwerk zu entscheiden.
Aber bitte mit Sahne
„Mit oder ohne Obers?“ werden wir gefragt und zack bekommt unser Topfen-Ananas-Kuchen mit einem altmodischen Sahne-Siphon einen großen Klecks Schlagsahne als Verzierung. Udo Jürgens hätte hier seinen Himmel gefunden.
Die Preise sind fair. Für das Stück Kuchen (2,80 €) und zwei Gläser „Omasprudel“ (wie sie den Prosecco hier nennen) zahlen wir 10 €.
Das Kuchenauswahl wechselt häufig. Etwa fünfzehn Omis arbeiten und backen für das Café Vollpension und bringen so alte Familienrezepte unter die Leute. Wer das Süße nicht mag, bestellt sich eine Jausenplatte oder ist wie wir, zwischen Kuchen und Toast Hawai hin und her gerissen.
Gutes aus dem Wiener Umland
Die Zutaten kommen von Produzenten in und um Wien oder werden auf dem nur wenige Meter entfernten Wiener Naschmarkt eingekauft.
Liebhaber ausgedehnter Morgenmahlzeiten sollten sich im Café Vollpension das Wochenend-Frühstück merken. Es trägt den etwas anrüchigen Namen „Erbschleicher“, reicht für zwei Personen und klingt extrem lecker:
Serviert auf der 3-Stock Etagere mit 2 Glas Frizzante und gemischtem Brotkorb (2 Scheiben Schwarzbrot vom Joseph, 2 Semmerl, 2 Kipferl) und… ///Oben – Zum Einisiassln: Miniguglhupf, kandierte Nusserl, kleines Birchermüsli mit pürierten Beeren, frisches Obst und selbstgemachte Marmelade ///Mittendrin – Als Streicheleinheiten: Omas Aufstrich-Quartett (Rote Rüben-Apfelkrenn- und Ka- rottenaufstrich, Tomaten-Paprikabutter, Löffelkäse mit frischen Kräutern), frische Paradeiser und Gurkenscheiben, kleines Naturjoghurt ///Unten – Die Solide Basis: Geräuchertes Forellenfilet, Beinschinken und Bio-Mangalitza Salami vom Thum, Bergkäse, Gouda, Brie, Ofen-Kräuter-Gemüse, Butter, Essiggurkerl, hartes Ei vom glücklichen Freilandhendl aus NÖ, pikante Strudelhäppchen (Quelle: Menükarte Vollpension)
Wenn der Teller leer ist, räumt ein freundlicher Senior – ein Opi – die Tische ab. Gleichberechtigung können sie also auch. Für uns war der Besuch im Vollpension eine unterhaltsame Abwechslung zum klassischen Caféhausbetrieb und geschmeckt hat es prima. Hingehen!
In der Nachbarschaft:
Gleich gegenüber dem Café Vollpension gibt es einen Buchladen mit einer interessanten Auswahl an Kochbüchern. „Babettes Cookbook“ bietet Exemplare an, die sonst eher selten zu finden sind.
Oma-Cafés gibt es nicht nur in Wien: Beispiele
Auch andere Cafés haben die (Kuchen)rezepte der Großmütter für sich entdeckt. Nicht alle lassen wie in Wien von den Damen backen, aber oft erinnern Einrichtung oder Menü an die geschätzten Vorbilder. Ein paar Beispiele:
Graz / Omas Teekanne
Grazer Vintage-Café für Genießer*innen. Frühstück, Omas Jause und 70 unterschiedliche Teesorten werden serviert. Die Einrichtung ist bunt gemischt und stammt vom Flohmarkt. → omasteekanne.at
Zürich / Kafi Dihei – Café, Bar, Restaurant
Hier backen keine Omas, aber das Ambiente fühlt sich gemütlich wie zuhause an. Zwei Schweizerinnen, die zwischenzeitlich im Ausland lebten, haben sich mit dem Kafi Dihei eine neue „Wahlheimat“ geschaffen. → www.kafidihei.ch
Dortmund / Oma Rosa Café
Kaffeklatsch in einem hellen Raum mit bunt zusammengewürfeltem Mobiliar. Hausgemachte Kuchen und Filterkaffee. → omarosa.de
München / Kuchentratsch
Das Münchner Café Kuchentratsch kommt dem Café Vollpension in Wien am nächsten, denn hier backen auch Seniorinnen. Die soziale Backstube ermöglicht ihnen eine sinnvolle Tätigkeit. Neben Café und Backstube gibt es einen Onlineversand. → kuchentratsch.com
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Sind die süß! Das muss ich unbedingt mal probieren, wenn ich das nächste Mal in Wien bin.
Ist das eine süße Idee. Da geh ich hin!
Katrin
Liebe Charis, Kuchen schmeckt wie bei Omi ! Im Café Vollpension in Wien, war da .
Himmlischen !
… soo gut gemacht, – als wäre man selbst dort gewesen …!