Besucher der Kronenhalle erkennen sie an den feingliedrigen goldenen Lettern, die die Fassade des grau getünchten Stadthauses zieren. Hinter großen Schiebefenstern hängen geraffte Scheibengardinen und kleine Stehlampen tauchen die die Tische in ein warmes Licht. Die Lage unweit vom See ist zentral, jedoch keinesfalls bevorzugt. Dass hinter diesen Mauern die versammelte Kunstgeschichte der Moderne an den Wänden hängt, darauf würde man nicht kommen, wenn man es nicht wüsste. Auch die bescheidene Eingangstür mit den bunten Bleiglasfenstern, die in einen schmalen Hausflur mündet, lässt keinen Rückschluss darauf zu. Hier wird kein Understatement zelebriert, die Kronenhalle hat einfach Stil.
Bescheidenheit statt Protz – Geschichte der Zürcher Kronenhalle
Die Geschichte der Kronenhalle beginnt im Jahr 1924, als die ehrgeizige Hulda Zumsteg gemeinsam mit ihrem Gatten Gottlieb, mit dem sie vormals eine Gastronomie im nahen Niederdorf betrieb, das Haus erwirbt. Nur durch Fleiß und eine gewisse Beharrlichkeit ist es den beiden möglich, aus dem heruntergewirtschafteten Hotel eine Gaststätte zu etablieren, die sowohl bei Einheimischen als auch Gästen zum beliebten Treffpunkt avanciert. Die gute bodenständige Küche der Hulda Zumsteg ist eines der Markenzeichen, das das Restaurant über wechselhafte Zeiten bis in die Gegenwart tragen wird.
Ihre große Disziplin gepaart mit menschlicher Güte, macht Hulda zu einer begehrten Arbeitgeberin, die ihre Servicekräfte über Jahre hinweg im Betrieb halten kann. Das wissen nicht nur sie selbst, sondern auch die Gäste bald zu schätzen. Es entsteht ein geselliges Klima, in dem sich vor allem Künstler aus aller Welt sehr wohl und fast zuhause fühlen. Bei jenen, deren Salär nicht immer bis zum Ende des Monats reicht, hilft Hulda mit ihrer großzügigen Art von Zeit zu Zeit mit einem kostenlosen Essen nach.
Als 1957 ihr Mann stirbt, bewegt sie ihren Sohn, der zwischenzeitlich in Paris Karriere im Seidenhandel gemacht hat, zu einer Rückkehr in den elterlichen Gastronomiebetrieb. Mit ihm beginnt eine neue Ära, in der neben den Künstlern bekannte Modemacher aus der ganzen Welt in die Kronenhalle gelockt werden. Gustav Zumsteg ist Kunstsammler. Als die Wände in seiner Wohnung über dem Restaurant nicht mehr reichen, um alle Werke unterzubringen, weitet er die Galerie auf die restlichen Räume des Hauses aus.
Auch Gustav Zumsteg pflegt ein enges Verhältnis zu den Künstlern und im Laufe der Jahre füllen sich die Wände der Kronenhalle mit Sammlerkunst und wertvollen Geschenken. Viele Maler sprechen ihren Dank durch ein speziell gewidmetes Bild aus.
Das Restaurant auf dem Weg in die Gegenwart
Wenn der heutige Direktor Christian Dangel sagt „Für mich ist wichtig, dass sich die Leut da wohlfühlen.“, dann scheint er das genau so zu meinen. Die Stiftung, die nach dem Tod der Eigentümer den Auftrag übernahm, das Lebenswerk zu weiter zu führen, wahrt die alten Prämissen. Die Räume im Lokal blieben ebenso wie die Küche im alten Stil erhalten. Die Gerichte sind regional und bodenständig. Überflüssiges Chichi findet nicht statt, aber gegen gutes altes Hotelsilber hat niemand etwas einzuwenden.
Der Empfang ist freundlich und unprätentiös. Die Mäntel werden diskret abgenommen und an eine der Garderoben gehängt, die auf diese Weise sehr unkonventionell als Raumteiler dienen. Weißes Leinen verhüllt die Tische, die mit roten Rosensträußchen dekoriert sind. Gläser warten darauf, mit Wein gefüllt zu werden, blitzendes Silberbesteck macht Lust auf einen ersten Gang. Es ist die Pracht alter Grandhotels, an die wir erinnert werden, als wir uns auf den mit grünem Leder gepolsterten Sitzbänken des Restaurants niederlassen.
Zürcher Klassiker in der Kronenhalle: Von Bouillon bis Rösti
Auf der Speisekarte der Kronenhalle finden sich Klassiker von Bouillon bis Rösti, Geschnetzeltes ebenso wie eine gute Kalbsbratwurst. Und sicher ist es der einen oder anderen Premierenfeier der Züricher Kunstszene zu verdanken, dass „Blinis au saumon fumé et caviar ‘Osciétre’“ für 160 Sfr (Vorspeise für ca. 140 €) oder ein Chateaubriand für 156 Sfr hier ebenso eine Rolle spielen.
Wir entscheiden uns für Avocado mit Vinaigrette und das geschnetzelte Kalbfleisch „Kronenhalle“, auf das wir uns an den Nachbartischen mit neugierigen Blicken Appetit geholt haben. Gault Millau- Punkte und Michelin Sterne scheinen eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Gerichte wirken eher wie zünftige Hausmannskost in vernünftiger Portionsgröße. Weder fühlen wir uns gedrängt, ein extrem teures Gericht zu bestellen, noch folgen strafende Blicke, als wir uns für nur eine Vorspeise für zwei Personen entscheiden.
An den Nachbartischen wird geplaudert: internationales Publikum und Einheimische haben sich an diesem Sonntagnachmittag hier eingefunden. Die einen sind frisch verliebt, andere scheinen seit Jahren herzukommen. Wir bewundern die Gemälde. Ein Miró und ein Chagall hängen hinter den Tischen an den Fenstern, Fotos von Dürrenmatt, der einst seine Premieren hier feierte, neben uns. Und genau da hängt auch der echte Picasso. Ein Dreiergespann sitzt in ein Gespräch vertieft davor. Ein Kellner fährt einen Rechaud, unter dem blaue Flammen züngeln, an den Tisch. Formvollendet wärmt er die Rösti darauf auf und hebt sie dann mit gekonntem Schwung auf die bereitgestellten Teller. Die drei scheinen es kaum wahrzunehmen. Genauso wie das Bild unter dem sie sitzen. Die Bedienung ist diskret, lässt mit einem Schmunzeln Zeit zum Staunen und bedient, mit einem Charme, die uns fast vergessen schien.
Als es Zeit ist zu gehen, dürfen wir noch einen Blick in den für den Abend eingedeckten Chagall-Saal und die Schweizer Galerie im ersten Stock werfen. Spätestens jetzt sind wir dem Reiz der Kronenhalle endgültig verfallen. Wie gut, dass wir uns den Besuch der Bar für eine unserer nächsten Zürichreisen aufgespart haben….
Stadtnah und designverliebt – 25hours Hotel Zürich Langstrasse
Kronenhalle Zürich
Rämistraße 4
CH-8001 Zürich
→ www.kronenhalle.ch
Täglich geöffnet von 12.00 – 24.00 Uhr
Telefon 044 262 99 00 – Reservierung am Abend empfohlen
Zur Kronenhalle in Google-Maps
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