Die Salzburger Kaffeerösterei 220Grad ist inhabergeführt und bietet neben der Veredelung der Bohnen, Kaffeeseminare und jede Menge Hintergrundwissen an.
“Bitte zweimal No.2 und einmal was zum Ausprobieren!”. Als Sieglinde den kleinen Verkaufsraum der Kaffeerösterei 220Grad in der Maxglaner Hauptstraße 29 betritt, weiß sie genau, was sie haben möchte. Margret, die Inhaberin, greift in die gewünschten Bohnen, wirft das Mahlwerk an, hält einen kurzen Schwatz und verpackt.
So geht es wohl mehrmals am Tag, denn die Kunden, die die 2013 eröffnete Rösterei in der Salzburger Vorstadt aufsuchen, sind fast immer Wiederholungstäter. Sie kennen die Sorten und haben Vertrauen in eine gute Beratung. Als ich die Rösterei nach ca. zwei Stunden intensivem Erzählen verlasse, kann ich verstehen, warum das so ist.
Vom Café zum Kaffee
Dass die Rösterei hier angesiedelt wurde und nur beschränkte Öffnungszeiten hat, hat einen guten Grund. Das Inhaber-Paar, Alois und Margret Macheiner, betreibt bereits seit 2008 ein gleichnamiges Café in der Salzburger Altstadt. Das Café ist beliebt.
Der gelernte Lebensmittelchemiker Alois und seine Frau Margret, Politologin, wollten jedoch nicht einfach nur bewirten, rösten und verkaufen. Sie widmen sich dem Thema Kaffee sehr viel intensiver. Auf zahlreichen Reisen in Kaffeeanbaugebiete und zu Produzenten, haben sie sich über Jahre hinweg umfassendes Wissen rund um diesen besonderen Rohstoff angeeignet.
So suchten die Macheiners einen zusätzlichen Raum, zum experimentieren und entwickeln. Dazu braucht es Ruhe und deshalb gibt es im Rösthaus keine Bewirtung. Es ist ausschließlich der Röstung der Bohnen, der Entwicklung neuer Sorten und regelmäßig stattfindenden Seminaren vorbehalten.
Als Margret zu erzählen beginnt, wird mir schnell klar, wie laienhaft meine Kenntnisse rund um den Kaffee sind. Schon als ich beschreiben soll, welche Sorte ich gern probieren würde, gerate ich ins Stocken. Aromatisch hätte ich den Kaffee gern und nicht so fruchtig, aber wie beschreibt man am besten den Kaffeegeschmack, den man mag?
Margret greift eine der gefühlt fünfzig Kannenmodelle. Eine Kanne aus Glas, die die Filtereinrichtung gleich integriert hat. Sie legt einen Filter ein und wiegt den gemahlenen Kaffee ab. Für mich, deren Kaffeekultur daraus besteht, die Bialetti von wohlgeraten bis zum Anschlag zu befüllen, ist schon das ungewöhnlich. Kaffee für eine Tasse abwiegen? Verrückt! Aber es macht Spaß, ihr zuzuschauen und wie ich kurz darauf schmecken werde: der Aufwand lohnt sich. Meine Mischung wird mit siedendem Wasser kreisförmig aufgegossen. Das ist entscheidend, denn das gemahlene Pulver muss sich langsam vollsaugen, damit es das Aroma nach und nach abgeben kann. Ich muss kurz pusten. Der frisch gebrühte Kaffee ist ordentlich heiß. Der Geschmack jedenfalls ist vortrefflich. Das hätte ich gern öfter!
Kaffeekirschen, Pflücker und Plantagen – 220Grad handelt fair
Wir kommen ins plaudern und Margret erzählt über Ihre Reisen. Sie berichtet von den Kaffeebauern in Nicaragua, denen sie vor 3/4 Jahren bei der Kaffeeernte zugeschaut haben. Nicht unerwähnt bleibt, dass die Familie dabei von Soldaten begleitet wurde und im ersten Haus untergebracht war, das überhaupt eine Dusche und WC besaß. Sie zeigt Bilder von den Kaffeepflückern, die in Doppelstockbetten an den Plantagen untergebracht sind, Frauen, die um 3.00 Uhr morgens beginnen mit Töpfen zu klappern, um Tortillas und Gemüse für die Männer vorzubereiten. Es ist eine einfache Kost, aber wenn man Margret zuhört, glaubt man, dass es schmeckt.
Weil Alois und Margret wissen wollten, womit sie handeln, haben sie sich umfassend vor Ort informiert. So kann sie berichten, dass die Pflücker nach Kilos bezahlt werden und der Verdienst über dem Mindestlohn des Landes liegt. Ihr Kaffeebauer betreibt zusätzlich zur Plantage eine Schälerei. Das unterscheidet ihn von anderen Anbietern und sorgt dafür, dass Arbeit und Geld vor Ort bleiben.
Während es in der Regel so ist, dass die Kaffeekirsche nach dem Pflücken an den Schäler verkauft werden, der es dann wiederum an den Händler verkauft usw. kann hier direkt gehandelt werden.
Die Kaffeekirschen werden gepflückt (ist die Kirsche reif, platzt sie auf und ein/zwei Bohnen stecken darin), dann wird sie vor Ort geschält und in Säcke verpackt. Da Macheiners Kaffeebauer die nötigen Kontakte zu den Kaffeehändlern vor Ort hat, ist es möglich kleinere Einheiten nach Europa zu versenden und so gelangt die Rohware zum Rösten zu 220 Grad nach Salzburg.
Die Kaffeebohnen, die zunächst ganz hell aussehen, werden in derben, bedruckten Säcken geliefert. Margret kann genau erklären, was die Beschriftungen zu bedeuten haben. Das Regenwaldzertifikat ist zu sehen, das Herkunftsland, der produzierende Kaffeebauer und ein weiteres Qualitätsmerkmal: SHB. Das heißt Strictly Hard Bean und bedeutet, dass die Bohne mindestens auf einer Höhe von 1600m gewachsen ist. Durch die klimatischen Gegebenheiten wächst die Bohne langsamer, gewinnt dabei an Dichte, wird also schwerer und weist so eine höhere Wertigkeit als eine schnell gewachsene Bohne aus geringeren Höhen auf.
Dieser Hochlandkaffee ist dem ursprünglichen Kaffee am nächsten, denn der Hochlandkaffee kam zunächst aus Äthiopien (wo er überall wächst), zog dann weiter nach dem Jemen und wurde von da über die Kolonialmächte nach Europa gebracht.
Ich könnte Margret noch Stunden lauschen… Leider muss ich weiter. Wer sich für diese Rösterei interessiert, dem empfehle ich eines der Kaffeeseminare von 220 Grad zu besuchen. Die Macheiners verstehen ihr Handwerk. Schaut doch mal rein, wenn ihr in Salzburg seid.
Kaffeerösterei 220Grad
Öffnungszeiten Café
Chiemseegasse 5
A 5020 Salzburg
Di – Fr 9-19, Sa 9-18 Uhr
An Sonn- und Feiertagen geschlossen.
Öffnungszeiten Rösterei
Maxglaner Hauptstraße 29
A 5020 Salzburg
0662/909897
Di – Fr 9-12, 15-18 Uhr
www.220grad.com
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