Meet.Mountain.People.Soul. – Das Bergfestival „International Mountain Summit“ in Brixen (Südtirol) brachte in der Woche vom 8.-14.Oktober 2018 zum zehnten Mal bergbegeisterte Menschen aus aller Welt, Architekten, Denker und Künstler zusammen. Unter der ehrenamtlichen Führung der Südtiroler Axel Ploner und Markus Gaiser bot sich ein Podium für Vorträge und Gespräche, zum gemeinsamen Netzwerken, Wandern und auch zum Feiern.
→ Für das dreitägige IMS.Architecture.Camp war ich auf Einladung des International Mountain Summit und der IDM Südtirol dabei. Neben Besichtigungen aktueller Südtiroler Bauprojekte bot sich die Chance auf eine Wanderung zur Tierser Alpe auf der Seiser Alm mit anschließendem Gipfelgespräch zum Thema „Bauen am Berg“.
Während Veranstalter, Architekten und Sponsoren auf dem Architecture Walk zur Tierser Alpe weitestgehend unter sich blieben, war der Andrang bei Vorträgen des Philosophen und Autoren Richard David Precht und beim Star-Architekten Daniel Libeskind deutlich größer. Ihre Vorträge fanden in der Innenstadt von Brixen statt. Da lockte neben den bekannten Namen sicher auch der kurze Anfahrtsweg. Gelohnt haben sich alle Termine.
Richard David Precht – „nicht: Wie werden wir leben? sondern: Wie wollen wir leben?“
Zum Wandern kam er nicht und äußerte auf Anfrage das Bedauern, erst viel zu selten hier gewesen zu sein. Wer Südtirol kennt und bedenkt, dass es Prechts erst vierter Besuch war (zwei waren Vortrags-Termine beim #IMS), dem kann er eigentlich nur leid tun :). – „Wir sind dabei die Welt in Pläne zu verwandeln.“ so lautetet seine Kritik und das traf in Brixen auf einen fruchtbaren Boden. Den größten Applaus erhielt Precht bei der Forderung das Schulsystem zu reformieren. Aber auch bei Zukunftsprognosen zur garantierten Weiterbeschäftigung von Spargelstechern und der möglichen Ersetzbarkeit von Juristen im Zeitalter der Digitalisierung, hingen die Damen (und Herren) dem bühnengewandten Philosophen an den Lippen. Interessant, wenn auch nicht neu, erschien seine Warnung, dass die Digitalisierung die Kreativität der zukünftigen Generation immer weiter einschränken wird. Ein Aspekt, über den wir nachdenken sollten.
IMS ArchitectureDays – Bauen am Berg– Gewohnte Denkstrukturen verlassen
Für das Gipfelgespräch auf der neu interpretierten Schutzhütte nahe der Seiser Alm ging es zwei (zumindest für mich) schweißtreibende Stunden den Berg hinauf. Gelohnt hat es sich allemal: das Berghaus, das mit seinem roten Dach wie ein unübersehbarer Feuermelder auf den müden Wanderer wartet und am Fuße des sagenumwobenen Rosengarten gelegen ist, bot neben ungewöhnlich gutem Essen und interessanter Architektur einen idealen Ort für den Austausch. Fragen nach der Annäherung an den Berg, um dort bauen zu können, nach besonderen Anforderungen in der Höhe und weiteren spannenden Aspekten fanden hier eine Antwort.
Die Fassadenbauer Frener/Reifer verwiesen beispielsweise auf die Gefahr der Höhenkrankheit von Mitarbeitern, die aus dem Flachland kommen und die saisonal kürzeren Bauzeiten am Berg. Architekten und Bauleute malten Bilder von mutigen, engagierten Handwerkern, von Leidenschaft für die Berge und von Baustellen-Problemen, an die ein Laie nicht einmal im Tal denken würde. Hier oben auf dem Berg jedoch, kann die fehlende Wendemöglichkeit für ein Fahrzeug oder ein zu knapper Radius der Zufahrtsstraße (sofern es überhaupt eine gibt), dem gesamten Projekt schnell zum Verhängnis werden.
In einem Punkt herrschte Einigkeit: „Man baut demütiger als im Tal.“ Und wer nicht bereit ist, seine gewohnten Denkstrukturen zu verlassen, sich auf die wetterbedingten Einschränkungen und die besonderen Anforderungen hinsichtlich Heizung, Wintertauglichkeit und Lichtverhältnisse einzulassen, der dürfte kläglich scheitern.
Beteiligt am Gespräch: Alex Ploner (Initiator und Moderator), Tierser Alpl-Architekten Paul Senoner und Lukas Tammerle, Fassadenbauer Michael Reifer von Frener/Reifer in Brixen, Erwin Brunner (Journalist, Autor, ehemals Chefredakteur Nat. Geographic) und Gabriel Kerschbaumer (Buchautor „Hochalpine Architektur“)
→ Einen interessanten Artikel von Gabriel zum Thema Bauen am Berg habe ich übrigens hier gefunden
Gesichter und Besucherstimmen beim #IMS10
Erwin Brunner: der Hamburger Journalist (ehemals Nat. Geographic), Autor (Die Entdeckung der Dolomiten) und geborener Pustertaler ist seit zwei Jahren zertifizierter Südtiroler Wanderführer. Er führte die Gruppe straffen Schrittes den Berg hinauf. Und das obwohl er noch immer zwischen beiden Städten pendelt. – Natürlich wollte ich wissen, was ihn bewegt Jahr für Jahr dabei zu sein: als Landeskundiger und ehemaliger Referent und Unterstützer zahlreicher IMS-Veranstaltungen, schätzt er vor allem den Austausch. Mit seinem umfangreichen Wissen über die Umgebung und die Berge Südtirols, ist er ein interessanter Gesprächspartner und mit Sicherheit für mehr als diese eine Wanderung gut. → dr-erwin-brunner
Dorothea Pfaffenbichler ist Architektin aus St.Pölten in der Nähe von Wien. Ihr mit etwa 40 Personen besetztes Architekturbüro hat sich hauptsächlich auf medizinische Einrichtungen spezialisiert. Beim IMS ziehen sie die ungewöhnlichen Geschichten an. „Dass Menschen es schaffen, sich zu überwinden und schier Unglaubliches erreichen, das fasziniert mich und darüber zu hören, dafür bin ich hier.“
Die Stuttgarter Architektin Kerstin Waibel hat sich zum Prinzip gemacht nur noch positive Seminare und Vorträge zu besuchen. Daraus zieht sie die Energie, die sie für ihren ohnehin nervenaufreibenden Job dringend braucht.
Prefa-Fachberater Reinhold Augschöll (Dächer, „Stark wie ein Stier!“) ist zum wiederholten Mal dabei. Natürlich um die Bozener Firma im Rahmen ihres Sponsorings zu vertreten, aber auch aus eigenem Interesse: der Spaß am Netzwerken, das Wiedertreffen von Kollegen, Kunden und alten Weggefährten, schätzt er ebenso wie den fachbezogenen Austausch. Ein typischer Südtiroler.
Ein Architekt aus Köln verrät mir, hauptsächlich für den Vortrag von Daniel Libeskind gekommen zu sein. Damit war er nicht allein.
Eine besondere Freude ist das Wiedersehen mit dem Südtiroler Architekten Gerhard Mahlknecht. Sein aktuelles Bauvorhaben: → das neu konzipierte Fotografie-Museum „Lumen“ auf dem Kronplatz oberhalb von Bruneck lässt ihm allerdings nur wenig Zeit für einen Besuch und so bleibt es nur ein kurzer Abstecher.
Für das am Mittwoch-Vormittag besuchte neue Hotel „My Arbor“ in Brixen, möchte ich mir noch an anderer Stelle ein wenig Raum offen lassen…
„All valleys are the same. Every mountain is different.“ (Daniel Libeskind)
Der in New York lebende Architekt Daniel Libeskind mit polnischen Wurzeln ließ gar keinen Zweifel daran, dass seine Berge eher anderer Natur sind. Berge und Hürden, die im Kopf bestiegen werden. Er zeigte sich bei diesem ersten Besuch in Südtirol begeistert von der Region und beantwortete nach einem beeindruckenden Vortrag über vergangene und laufende Projekte unter anderem noch drei grundsätzlichen Fragen:
Lieblingsprojekt: Was morgen kommt.
Gute Architektur: Eine Feier des Lebens.
Guter Architekt: In Berührung mit den Menschen.
Fazit: Der IMS wird nicht nur mir fehlen. Selten habe ich einen so lockeren Austausch in angenehmer Atmosphäre erlebt und so wenig Berührungsängste untereinander empfunden. Danke an Alex Ploner und Markus Gaiser und das gesamte Team für die aufwendige Planung, die wunderbaren Vorträge und Stunden voller Inspirationen. Es war toll!
0 Kommentare zu “International Mountain Summit Brixen – Ein Bergfestival sagt Servus”