Hittisau. Bregenzerwald. Gibt es eine weibliche Sicht auf die Berge? – Diese Frage hat sich das Frauenmuseum in Hittisau in diesem Jahr gestellt. Die Ausstellung, die am 26.10.2016 mit einer Finissage endet, malt ein umfassendes Bild über die Rolle der Frau im alpinen Raum. Von der Bergbäuerin über Bergsteigerinnen bis hin zum Bild der Frau in der Werbung werden zahlreiche spannende Exponate zusammengetragen. Einiges stelle ich hier vor. – Wer die Ausstellung verpasst hat, dem empfehle ich als Alternative das Buch „Frauen im Aufstieg“. Es ist bei Edition Raetia erschienen und diente als Grundlage für die Ausstellung.
NACHTRAG – Die erwähnte Ausstellung ist vorbei. Das Buch kann man weiterhin kaufen!
Ich, am Gipfel
Ich, am Gipfel, die Ausstellung im Vorarlberger Frauenmuseum in Hittisau stellt Lebensgeschichten und Schicksale von Frauen im alpinen Raum der vergangenen Jahrhunderte in den Vordergrund. Starke und schwache Frauen, die in den Bergen leben oder die Berge lieben. Die Ausstellung thematisiert Gegebenheiten, die uns heute selbstverständlich erscheinen. Sie beleuchtet die „weibliche Seite“ des Wanderns, Gipfelstürmens und Arbeiten in den Bergen. Viele Aspekte waren mir völlig neu oder ich habe mir nie Gedanken gemacht darüber. Seit der Ausstellung weiß ich, dass es sich lohnt. Das Buch ist eine prima Gelegenheit immer wieder neu in die Thematik einzusteigen. Ich hatte das große Glück durch die Ausstellung geführt zu werden. Die wichtigsten Stationen stelle ich hier vor.
Auf Spurensuche
Die Ausstellung ist in 5 Themengebiete gegliedert, die sich in ähnlicher Form im Buch von Ingrid Runggaldier wiederfinden.
Der Eingangsbereich behandelt die Ursprünge: die Unerschrockenen – Frauen, die sich frühzeitig auf den Weg in die Berge machten und dafür verachtet und beäugt wurden. Deren Lebenswege keinesfalls gerade verliefen und die in den Aufzeichnungen der damaligen Zeit möglichst totgeschwiegen wurden, weil Frauen in den Bergen nichts zu suchen hatten. – Die Frage „Dürfen Frauen klettern?“ lässt uns heute schmunzeln. Wie es sich lebt, wenn diese Frage ernst gemeint ist, versucht die Ausstellung zu erklären.
Ich war verblüfft zu lesen, dass Gipfelsiege für Männer praktisch wertlos wurden, sobald auch nur eine Frau einen Fuss darauf gesetzt hatte oder dass man den Frauen unterstellte, sie hätten sich hochtragen und ziehen lassen, nur um die Schwierigkeit einer Bergbesteigung nicht abzuwerten. Von Stolz keine Spur: Anfeindungen und Beschimpfungen waren für diese Frauen die Regel.
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts nimmt der Alpentourismus kontinuierlich zu. Die Frauen von den Bergen fern zu halten wird immer unmöglicher. Sie emanzipieren sich und im Laufe der Zeit entwickeln sich einige von ihnen zu wahren Amazonen, die eigene Gipfelfahnen hissen, rauchen und ihre Siege genießen.
Die durch Männer gegründeten und geprägten Alpenvereine brauchen für diese Entwicklung deutlich länger. Während Frauen in England und der Schweiz gänzlich ausgeschlossen sind, werden sie in den deutschen und österreichischen Sektionen nach und nach akzeptiert. Gern gesehen sind Frauen im Alpenverein aber noch sehr sehr lange nicht. Sie erhalten keine Stimmrechte, ihre Leistungen werden ignoriert.
Hinaufschauen – Herabschauen
In der Ausstellung folgen zahlreiche Exponate, wie Frauen die Berge sehen und darstellen. Also der künstlerische Blick auf die Berge. Zeichnungen und Fotografien sind darunter, Skulpturen und einige multimediale Beiträge.
Gewickelt und geschnürt
Ein weiterer Bereich zeigt Ausrüstungsgegenstände und Kleidung aus verschiedenen Jahrzehnten. Auch hier wird deutlich, wie sich das Bild der Frau in den Bergen gewandelt hat.
Aus der, von Notwendigkeiten getriebenen, hart arbeitenden Bergbäuerin, Kräuterfrau oder Hüttenwirtin wird auf Postkarten und in Zeitschriften das romantisierte Bild der Sennerin. Verkitscht und erotisiert werden Frauen dargestellt, die es in dieser Form wohl nie gegeben hat. Doch selbst wenn man über viele Motive noch so sehr die Nase rümpft und sie belächelt: ihr Erfolg gibt ihnen recht. Das Frauenbild, welches die Darstellungen zeichnen, hat sich bis heute einen festen Platz in der Werbewelt bewahrt.
Am Abschluß der Hittisauer Ausstellung wird es landeskundlich, denn nun werden Frauenbilder aus der direkten Umgebung vorgestellt. Das ist besonders spannend, da es genaue Berichte und Fotos aus der Umgebung dazu gibt.
Mir gefiel hierbei besonders die Hoteliersfrau Isabella Strolz, die sich über viele Jahre lang in der Materialseilbahn zur sonntäglichen Messe nach Schröcken abseilen ließ.
Abschließend ist zu sagen, dass das Frauenmuseum Hittisau mit dieser Ausstellung eine große Arbeit geleistet hat. Die Exponate waren allesamt anschaulich gestaltet, motivierten weiter zu recherchieren und das Thema im Fokus zu behalten. Ein umfangreiches Sortiment an Büchern zum Thema Frauen in den Bergen findet sich am Ausgang des Museum. (Dies übrigens auch wenn die Ausstellung vorüber ist!)
Frauen im Aufstieg – Auf Spurensuche in der Alpingeschichte
Erschienen bei Edition Raetia – Südtirol
Das Buch Frauen im Aufstieg von Ingrid Runggaldier ist 2011 erstmalig erschienen und ein umfängliches Werk über das Leben der Frauen in den Bergen. Es enthält neben sehr ausführlichen Schilderungen unendliche viele Bilder und Zeitdokumente. Lesen oder darin blättern – beides macht sehr viel Freude! –
Ingrid Runggaldier wurde 1963 in Bozen geboren und ist als freie Publizistin tätig. Außerdem ist sie Mitbegründerin und Mitherausgeberin der ladinischen Frauenzeitschrift gana – la usc dies ladines, Kulturreferentin des Alpenvereins Südtirol und Mitglied des Int. Bergfilmfestivals in Trient.
Das Buch ist als Hardcover gebunden, umfasst 328 Seiten und ist 23,5 x 29 cm groß.
Preis: € 14,90
ISBN 978-88-7283-346-9
In Hamburg zum Beispiel über die Buchhandlung Sautter und Lackmann.
VORBEI ! – Die Finissage findet am Mittwoch, 26. Oktober 2016 statt.
Zur Finissage der Ausstellung „Ich am Gipfel. Eine Frauenalpingeschichte“ erzählt Katharina Ritter noch einmal von ein paar wilden Weibern aus den Alpen und weitet dann den Blick in andere Regionen der Welt – vom Großstadt-Dschungel bis in entfernteste Winkel im weiten Afrika.
Uralte und neue Geschichten – freiwild erzählt – für Jugendliche und Erwachsene.
Katharina Ritter ist professionelle Geschichtenerzählerin und lebt in München. Sie entwickelt Audio-Guides und Erzählreihen für Museen, veröffentlicht Hör-Bilder-Bücher und erzählt frei, wild und direkt.
Auch im Wälderdialekt.
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