Die Bäckerei FORNO Ivo De Pellegrin ist in Meran und bei Liebhabern hochwertiger Backwaren längst zu einer guten Adresse geworden. Aus einem versteckten Innenhof, nicht weit von den Lauben entfernt, zieht an den Backtagen der Duft von frisch gebackenem Brot durch das Viertel.
Durch große Glasscheiben können Neugierige dann zuschauen, wo der Teig geknetet, in den Ofen geschoben und knusprig wieder herausgeholt wird. Denn genau das ist gewollt. „Transparenz war mir von Anfang an wichtig“, erklärt Bäcker Ivo, während er sorgfältig Portion für Portion in längliche Kastenformen füllt.
„Deshalb heißt es FORNO. In Italien waren die Forni traditionelle Orte, an denen gebacken und verkauft wurde, wo der Duft in der Luft lag und man sehen konnte, wie gearbeitet wurde“.
Ivos Weg zur eigenen Bäckerei: Von der Wissenschaft zum Handwerk
Ivo De Pellegrins Weg zur eigenen Bäckerei war nicht vorgezeichnet. Zunächst studierte der heutige Inhaber des FORNO „Scienze Gastronomiche“ an der von Slow Food gegründeten privaten Universität in Pollenzo im Piemont – eine einzigartige Ausbildung, die alle Bereiche der Lebensmittelproduktion umfasst. „Sonst sind die einzelnen Bereiche im Lebensmittelsektor ziemlich getrennt“, erklärt er. „Der Ernährungswissenschaftler hat keine Ahnung, wie eine Tomate angebaut und verarbeitet wird, sondern schaut nur, was am Ende in der Dose drin ist.“
Doch mit dem Ende des Studiums machte sich Ratlosigkeit breit. Was nun? Sein Interesse an der Gastronomie führte den späteren FORNO-Gründer zunächst ins Ottmanngut Meran, ein kleines, inhabergeführtes „Suite and Breakfast“ mit serviertem Frühstück, wo er sieben Jahre lang arbeitete. (Und wo wir ihn zum ersten Mal trafen.) Dort begann seine Leidenschaft fürs Brotbacken, interessanterweise aufgrund von Kritik: „Das war einer der wenigen Kritikpunkte, die wir immer wieder bekamen. Vor allem deutsche Touristen sagten: „Man kann in Südtirol so gut essen, aber das Brot…“. Also begann Ivo, selbst Brot zu backen. Und machte die ersten Versuche mit einem eigenen Sauerteig.
Die Kunst des Sauerteigs
Nach seinem Studium suchte Ivo de Pellegrin gezielt nach einem Handwerk, das er als Ein-Mann-Betrieb ausüben konnte. „Mir hätte auch Bier brauen sehr gefallen“, erzählt er, „aber das ist gleich viel aufwendiger. Da muss man schon größer beginnen und auch Mitarbeiter haben.“ Die Bäckerei erwies sich als ideale Wahl und der Sauerteig wurde zu seinem ständigen Begleiter, im wahrsten Sinne des Wortes. „Ich nehme ihn sogar mit in den Urlaub“, schmunzelt er.
Dabei ist es erstaunlich, wie wenig von diesem wertvollen Gut ausreicht: „Ein Geheimnis ist, man startet immer mit ganz wenig. Es reicht eigentlich eine Zelle Hefe und eine Zelle Milchsäurebakterien. Diese verdoppeln sich exponentiell.“
Pro Backtag verarbeitet er 100 Kilo Teig. Mittwoch und Samstag 100 Kilo für den Verkauf im FORNO und am Donnerstag die gleiche Menge für ausgewählte Gastronomiebetriebe in Meran. Zu seinen Kunden gehören die Blaue Traube in Algund, das Meteo an der Gilfpromenade und natürlich das Ottmanngut. „Die Gastronomie muss das nötige Verständnis haben“, erklärt Ivo. „Sie müssen das Produkt in seiner Wertigkeit an den Endkunden weitergeben können.“
Was macht Sauerteig so besonders?
Mit Erklärungen von FORNO-Inhaber Ivo De Pellegrin
Grundlagen
• Sauerteig besteht aus Mehl, Wasser und einer Starterkultur (Anstellgut)
• Darin gehen Hefen und Milchsäurebakterien eine natürliche Symbiose ein.
• „Es reicht eigentlich eine Zelle Hefe und eine Zelle Milchsäurebakterien. Diese verdoppeln sich exponentiell“, erklärt Ivo de Pellegrin
Der Prozess
• Während der Fermentation vermehren sich Hefe und Milchsäurebakterien.
• Die Mikroorganismen verstoffwechseln die Stärke im Mehl
• „Der Sauerteig „verdaut“ den Teig vor“, umschreibt Ivo den Prozess. Das macht das Brot besonders bekömmlich: „Verdaubarkeit ist eines der wichtigsten Themen für meine Kundschaft“
Die Vorteile
• Intensives, charakteristisches Aroma
• Hohes Wasserbindungsvermögen für längere Frische
• Sehr gute Haltbarkeit
• Kann durch Aufbacken aufgefrischt werden
„Meine Brote sollen eine Woche halten“, sagt Ivo. „Das schätzen die Leute.“
Alltag mit Sauerteig
• Tägliche Pflege erforderlich: „Das Geheimnis ist die Regelmäßigkeit“
• Der Starter muss täglich „gefüttert“ werden (mit Mehl und Wasser).
• Wenn er nicht gebraucht wird, kann er „gebremst“ werden. Praktisch für den Urlaub!
• Profis wie Ivo starten ihre 100-Kilo-Produktion mit nur einem Teelöffel Sauerteig
Zeit: Ivo De Pellegrins wichtigste Zutat
Was die Brote von Ivo De Pellegrin so besonders macht, interessiert uns natürlich besonders, denn Backen mit hochwertigen Zutaten, das haben sich auch andere auf die Fahnen geschrieben.
„Zeit ist eine ganz wichtige Zutat“, erklärt er und nennt als Beispiel industrielle Semmeln, die in zwei Stunden produziert werden. Er selbst lässt seinen Teigen viel mehr Zeit zum Reifen, bereitet ihn an einem Tag vor, lässt ihn dann 24 Stunden stehen und bäckt am dritten Tag. „In der Berufsschule wird gelehrt, dass unter 5% Hefe im Teig, also pro Kilo Mehl 50 Gramm, das Brot nicht backfähig sei. Wenn ich Teige mit Hefe mache, dann gebe ich zum Beispiel ein Gramm auf ein Kilo.“
Die lange Reifezeit macht die Brote aus dem FORNO nicht nur schmackhafter, sondern auch bekömmlicher. Der Sauerteig wandelt bereits Inhaltsstoffe um, die sonst den Magen belasten würden. „Das hätte ich nie gedacht, aber Verdaubarkeit ist eines der wichtigsten Themen für meine Kundschaft. So kann ich viele bedienen, die kein Brot mehr essen konnten.“
Brotkenntnisse
Ein besonderes Merkmal vieler Brote ist die charakteristische Einschnitttechnik, die der Kruste des Brotes eine besondere Form gibt. „Bei der Gärung entstehen Gase, die das Brot im Ofen wachsen lassen“, erklärt Ivo. „Sie steigen nach oben und wollen raus. Wenn man dann nicht reagiert, platzt das Brot unkontrolliert auf.“ Früher dienten die Einschnitte oft als Erkennungszeichen der jeweiligen Bäckereien. „Das hatte den Vorteil, dass man zurückverfolgen konnte, woher das Brot stammte, wenn jemand in der Not minderwertige Zutaten reingemogelt hatte.“
„Regio Korn“ Südtirols Projekt für Bauern, Mühlen und Bäcker
Die Verwendung regionaler Zutaten liegt Slow Food Bäcker Ivo De Pellegrin besonders am Herzen. Deshalb arbeitet er eng mit dem Projekt „Regio Korn“ zusammen, das Südtiroler Bauern, Mühlen und Bäcker verbindet. Das Dinkel- und Roggenvollkorn in seiner Bäckerei stammt aus dem Vinschgau und dem Pustertal. „Beim Wein spricht man sehr stark vom Terroir. Wer würde bei Mehl danach fragen?“
Die Entscheidung für Bio-Produkte war für ihn selbstverständlich: „Einerseits von der Nachhaltigkeit her. Zweitens aber wenn man die Qualität erreichen möchte, die hohe Qualität, dann muss man sowieso im Biobereich sein, weil das Mehl einfach besser schmeckt als konventionelles.“
Fair like FORNO: Transparenz dank verglaster Backstube
„Im Brot sind 52 Zusatzstoffe erlaubt, ohne sie deklarieren zu müssen“, erklärt Ivo de Pellegrin seine Philosophie der Transparenz im Forno. Die längliche Struktur seiner Bäckerei mit der großen Glasscheibe war dabei kein Zufall: „Ich habe etwas gesucht, wo ich mit dieser Transparenz die Bäckerei zeigen kann. Ich möchte, dass man sieht, was hier geschieht.“
Tradition neu interpretiert
Ivos Brote im FORNO sind größer als die vieler anderer Bäckereien, meist Kilo-Laibe. „Früher gab es nur große Brotlaibe. Das Brot stand bei den Italienern im Mittelpunkt der Mahlzeit.“ An diese Tradition knüpft er bewusst an, auch weil größere Brote länger frisch bleiben. „Am Anfang sind die Leute skeptisch und sagen ‚So ein großes Brot!‘ Aber ich habe mich nicht beirren lassen, und das hat funktioniert, weil die Leute sehen, dass es hält.“
„Was mich antreibt, ist die Herausforderung, jedes Mal eine sehr hohe Frequenz zu fahren“, erklärt Ivo seine Motivation. „Der Sauerteig variiert. Man muss mit ihm spielen können. Das macht es für mich spannend, die Qualität hoch zu halten.“
Im Austausch mit anderen Unternehmen seiner Branche spürt er einen starken Zusammenhalt: „Es ist eine schöne Community. Man ist gleich mit allen per Du und kann sich sehr gut austauschen. Alle haben verstanden, dass wir nicht gegeneinander, sondern miteinander gegen die Industrie beziehungsweise gegen richtig schlechte Ware ankämpfen müssen.“ Und auch mitten in Meran hat er Mitstreiter gefunden. So kommt es beispielsweise immer wieder zu Kooperationen mit dem Chocolatier René Romen (58 Chocolate).
Backen lernen im FORNO
Wer die Kunst des Brotbackens von Ivo de Pellegrin lernen möchte, hat dazu in den ruhigeren Wintermonaten Gelegenheit. „Ich versuche einen Kurs für Bäcker mit ein wenig Erfahrung zu machen“, erklärt er. Die Workshops sind eine Gelegenheit, tiefer in die Geheimnisse der Sauerteigführung einzutauchen und von Ivos langjähriger Erfahrung zu profitieren.
Dabei ist das FORNO auch ein Ort des internationalen Austauschs – im Herbst wird zum Beispiel eine Bäckerin aus Japan für ein Praktikum erwartet. Diese Begegnungen und der Austausch mit Kollegen inspirieren Ivo zu neuen Ideen und Experimenten – ganz im Sinne der handwerklichen Tradition, die er so lebendig hält.
Ivos Profi-Tipps: So bleibt ein Brot länger frisch
Aufbewahrung: Das Brot luftdicht in Papier einwickeln – „wie ein Geschenk„, empfiehlt Ivo.
Bei Trockenheit: Das Brot leicht mit Wasser besprühen und wieder aufwärmen. Vorsicht: Nur leicht anfeuchten, sonst leidet die Kruste!
Einfrieren erlaubt: „Je mehr Wasser im Teig, je besser eingewickelt und je schneller eingefroren, desto besser“, sagt Ivo. Zum Einfrieren sowohl in Papier als auch in einen Folienbeutel einwickeln.
Wissenschaft statt Mythos: „Brot trocknet eigentlich nicht aus, es ist eine chemische Reaktion, die das Brot hart werden lässt“, erklärt der Bäcker. „Dieses Brot enthält auch nach einer Woche noch viel Wasser.“
Umgebung beachten: Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst die Haltbarkeit der Kruste. In trockener Umgebung bleibt sie länger knusprig.
Kontakt & Öffnungszeiten FORNO Ivo de Pellegrin
Rennweg 141 A (Im Hinterhaus)
39012 Meran (Italien)
Öffnungszeiten: Mittwoch und Samstag
Frisches Brot zwischen 9.00 und 13.00 Uhr
Brotsorten im FORNO
Pane de Sud: Sauerteig-Brotlaib aus Bio-Weizenmehl, Bio-Hartweizenmehl Timilia, einem Mehl aus Sizilien
Weizen-Einkorn Brot mit Buchweizenporridge
Dinkelbrot (mit Mehl aus dem Vinschgau)
Dinkel-Rotkornbrot mit Körnern (mit Mehl aus dem Vinschgau)
Focaccia, Süßes Brot, Maroniherzen, Cookies…
Offenlegung: Das Gespräch fand im Rahmen einer unbezahlten journalistischen Recherche mit Unterstützung durch die Kurverwaltung Meran statt.