Barbian / Südtirol Eine leer geräuberte Kuchenplatte ziert einen einfachen Tisch unterhalb des Hauses. Die Reste verraten den Genuss eines Blechkuchens. Kinder toben umher. Hinter dem Haus flattern weiße Laken und Kopfkissen auf einer Leine in der Sonne. Die prächtig angeleuchteten Dolomiten tun sich in der Ferne auf. Gäste plaudern oder genießen den Blick ins Grödnertal. Es ist eine Idylle wie auf einer alten Postkarte. In Briol wird der Traum von der Sommerfrische am Berg lebendig.
Zur Sommerfrische im Briol: Nur Gepäck geht nicht zu Fuß
Aber beginnen wir von vorn. Aus dem Eisacktal kommend, vorbei an Barbian und dem Gasthof Dreikirchen werden wir zum Haupthaus der Pension Briol aufsteigen. Straßen gibt es hier keine. Wer nach Briol will, fährt bis zum Parkplatz Sportzone. An diesem Ort ändert sich einiges, zumindest jedoch die normalen Gewohnheiten verwöhnter Großstadtmenschen. Das Auto bleibt stehen. Nur Gepäck legitimiert die Nutzung eines Geländetaxis. In einer knappen Stunde geht es zu Fuß hinauf auf den Berg. Wer in Briol übernachten möchte, muss gern laufen und sich Zeit nehmen.
Für mich ist es nur ein Tagesbesuch. Die → Architekturstiftung Südtirol hat zu einer Besichtigung eingeladen und Scharen Interessierter sind dieser Einladung gefolgt. → Tage der Architektur in Südtirol 2017
Wir passieren das Gasthaus und Hotel Bad Dreikirchen, welches rechterhand an einem Hang neben drei kleinen Kirchen liegt und eine eng mit Briol verbundene Geschichte hat. (Die erzähle ich ein anderes Mal!)
Den Wegweisern folgend, gelangt man durch einen Wald zum Haus Settari. Dieses mehrgeschossige Gebäude, in dem sich Ferienwohnungen und Gästezimmer befinden, gehört bereits zu Briol, nur liegt es deutlich versteckt zwischen vielen Bäumen.
Sein Name, Settari, ist Teil der Geschichte. Johanna Settari war die Urgroßmutter der heutigen Inhaberin Johanna Fink-Settari. Sie liebte den Berg von Dreikirchen und da sie einen wohlhabenden Bozner Seiden – und Porzellanhändler geheiratet hatte, wünschte sie sich von ihm zu jeder Geburt eines Kindes ein Grundstück auf diesem Berg.
Niemand, auch sie selbst nicht, konnte damals ahnen, dass sie ihrem Mann 15 Kinder, davon 11 Mädchen und 4 Jungen schenken und somit schrittweise den ganzen Dreikirchner Berg aufkaufen würde.
Der Rest ist ein logischer Schritt: ein Grundstück allein ist nett, aber nutzlos. Also sorgte die eifrige Johanna Settari dafür, dass mehrere Gebäude auf dem Berg entstanden, die den Kindern in schlechten Zeiten als Existenzgrundlage dienen sollten. Dreikirchen, das Haus Settari, Briol und noch einige andere Gebäude wurden für die Kinder gebaut.
Damit die Kinder nicht nur gemeinsam auf dem Berg wirtschaften, sondern die Gemeinschaft leben, stellte sie drei Bedingungen auf, die bis zum heutigen Tag ihre Gültigkeit behalten haben:
- Der Besitz wird nur in der Familie weitergegeben.
- Zäune am Berg? Fehlanzeige, sind verboten.
- Alles wird im Sinne des Berges erhalten.
Das Haus Settari wurde zum Hauptsitz, in dem die Familie ihre Zeit am Berg verbrachte. Heute finden hier immer wieder kleinere Veranstaltungen statt und nur ganz oben unter dem Dach, mit herrlicher Terrasse, hat sich die Familie ein kleines privates Refugium erhalten. Die Namen der Ferienwohnungen und Zimmer , die 2013 behutsam durch das Südtiroler Architekten-Team bergmeisterwolf → bergmeisterwolf.it eingebaut wurden, tragen die Namen von Familienmitgliedern, die darin wohnten.
Wir aber schreiten den Berg weiter hinauf. Vorbei an der sogenannten „Kaffeemühle“, die in den zwanziger Jahren vom berühmten Architekten Louis Welzenbacher erbaut wurde. Ein Haus, dass allein durch seine ungewöhnliche Form und die exponierte Lage die Blicke auf sich zieht.
Als wir Briol erreichen, fällt mir das erst gar nicht auf. Der Weg ist holprig, von Wurzeln überzogen. Eine große Wiese verläuft steil den Hang hinauf. Oben, über allem, thront BRIOL.
Durch einen seitlichen Eingang betritt man das Haus und ahnt bereits dabei, wie besonders hier alles ist. Statt Eisfähnchen flattert die Wäsche im Wind, statt Werbung für freies WLAN, locken Bücher und ein kleines Lesezimmer.
Aus einer anderen Zeit
Das Haus Briol stammt aus einer anderen Zeit. Im Jahre 1928 erbaut, gehört es zu den wenigen Gasthöfen am Berg, die zwischen den beiden Weltkriegen entstanden. Eine schwere Zeit für Tirol. Aber auch eine Zeit, in der das Wort Sommerfrische mit dem Erleben der Natur, mit Stille, Minimalimus und Ursprünglichkeit verbunden war. Der prägnante Schriftzug mit dem Namen des Hauses, der brachial aus Holzleisten an einen Balkon genagelt wurde, prägt sich ein. Wer ihn einmal gesehen hat, vergisst ihn vermutlich nie.
Für uns hat Wirtin Johanna Fink-Settari (Johanna nennen sie hier alle) die große Panoramaterrasse direkt vor dem Haus eingedeckt. Hier ist die Aussicht am schönsten. Auf 1310m über dem Meer reicht der Blick unendlich weit und rund um das Haus stärken saftig grüne Bergwiesen und Bäume das Gefühl, inmitten weitestgehend unberührter Natur zu sein. Auf weiß eingedeckten Tischen mit Speck, Käse und Schüttelbrot stehen Wiesenblumen und Saftkrüge. Rotweinflaschen werden entkorkt. Natürlich kommt der Wein aus der Region. Eine Reihe Holzstühle reiht sich wie eine Perlenkette an der Hauswand entlang. Man kann sehen, dass sie alt sind. Wie alt, das lässt sich im besten Fall erahnen.
Unsere Finger hangeln hungrig Speck und Käse von den Platten. Weingläser werden gefüllt, das dunkle Rot in den Gläsern, macht sich prächtig vor dem blauen Himmel. Die Bergluft sorgt für Appetit. Johanna ergreift das Wort, begrüßt die Gäste und erzählt die Geschichte des Hauses. Auch Michaela Wolf, die Architektin, die maßgeblich am behutsamen Umbau beteiligt war, ergreift das Wort. Beiden ist die Ehrfurcht vor dem Gewachsenen gemeinsam. Und so spürt man die Sensibilität der Maßnahmen auch bei einem Rundgang durch die Zimmer.
Rustikale Waschtische und Fußböden aus Lärchenholz
Seit fast dreißig Jahren ist Johanna hier Wirtin und ihr größter Verdienst scheint darin zu bestehen, das Haus vor allzu großen Veränderungen zu bewahren. Die Fußböden aus Lärchenholz werden noch immer von Hand geschruppt, die Wäsche in der frischen Bergluft getrocknet und in den Zimmern gibt es keine Bäder. Dafür einen Krug und eine Waschschüssel, wie die älteren von uns sie, – mit viel Glück – noch von den Großeltern kennen.
Das Wasser wird mit Solarzellen oder einem Holzofen erwärmt. Weil es keine Heizung gibt, ist das Haus in der Wintersaison geschlossen.
Kinder toben die knarrenden Stiegen hinauf, an Gemeinschaftsbädern vorbei, die im Zuge des Umbaus, nach modernen Richtlinien behutsam eingefügt wurden.
Südtiroler Küche und ein wenig Neid
Wer Briol heute besucht, darf sich auf gute regionale Küche freuen, die in einem kleinen Raum neben dem Eingang zubereitet wird. Viele Rezepte, das man muss es wohl gar nicht erwähnen, stammen natürlich von der Familie Settari. Wenn das Wetter zu kühl ist, laden schöne Speiseräume mit weiß eingedeckten Tischen und getäfelten Wänden zum Verweilen ein.
Als wir gehen, werfe ich noch einen Blick in die minimalistisch, mit den Möbeln von damals eingerichteten Gästezimmer. Ich bin neidisch auf die Hausgäste, die bleiben dürfen. Neid ist eine miese Eigenschaft und ich mag ihn gar nicht. In Briol hat man einen echten Grund dafür.
BRIOL
Johanna Fink v. Klebelsberg
Briol 1
I 39040 Barbian-Dreikirchen
Telefon +39 0471650125
www.briol.it
Geländetaxi: Torgler +39 3358031621
Liebe Charis,
so ein wunderschöner Blogpost mit vielen Impressionen. Das sieht alles so schön aus und als könnte man sich dort sehr gut erholen. Vor allem dieser Pool mit der Aussicht…mega *-*
Liebe Grüße
Pascale
Der Pool ist wirklich eine völlig verrückte Geschichte, wie er da so mitten in der Wiese liegt. Ich habe ihn erst bei meinem zweiten Besuch in Briol entdeckt und war sofort verliebt.
Liebe Charis, über 10 Jahre lang haben wir jährlich unsere Sommerferien – meist drei Wochen – in Briol verbracht. Unvergesslich! Vergangenes Jahr haben wir nach vielen Jahren sozusagen einen Erinnerungsurlaub dort gemacht. Am Haus hat sich nicht viel verändert, nur die Gäste sind andere – junge Familien mit Kindern statt ältere, bergwandernde Herrschaften, viele mit philosophischen und künstlerischen Ambitionen, gute abendliche Gesprächspartner. Nichts gegen diese neue Generation, aber der Gedanke an die Alten stimmt wehmütig auch weil ich nun selber dazu gehöre. Nur Johanna, die seinerzeit blutjunge engagierte Wirtin ist die gleiche, charmante „junge“ Frau geblieben und weiter die Seele von Briol – ähnlich wie ihre drei Tanten, die vorher das Haus geführt haben. Beste Tradition eines „alten“ Südtirols, das mehr und mehr einem Wandel zu einer überall ähnlichen allgemein gegenwärtigen Wohlstandsmodernität unterliegt – eine Mentalität die bisher noch nicht auf diesen Berg vorgedrungen ist. Gottseidank! Danke für diesen Bericht mit den schönen Fotos.
Andreas
Drei Wochen dort oben am Berg? Ich glaube, danach ist man ein völlig neuer Mensch. Schön zu lesen, dass es Dir dort immer noch gefällt. Das kann ich gut verstehen!