Wolken vernebeln die Berge, als wir an einem Junitag das Ultental hinauf nach St. Nikolaus brausen. Ich hatte Sommer erwartet, Sonne und blauen Himmel. Dass die umliegenden Alpenkämme verhangen sind, die Nebelschwaden tief hängen und der Regen hart auf das Autodach klopft, hat dennoch einen besonderen Reiz. Die Wiesen sind satt grün, das verwitterte Holz der traditionellen Bergbauernhäuser, die es im Ultental noch zahlreich gibt, leuchtet dunkel. Rote Geranien, die von den Balkonen ranken, zeichnen sich ab wie auf den schönsten Postkartenmotiven.
Ich lenke den Wagen auf schmalen Straßen immer weiter bergauf. Bei etwa 1250 m Höhe fahren wir auf einem schmalen Weg parallel zum Tal. Links geht es den Berg steil herauf, rechts steil hinunter. Wir passieren einsame Bergbauernhöfe und ein hölzernes Tor unter einem Stall. Abenteuerlich!
Ziegenhof Baschtele – Hoch über St.Nikolaus
Am Mittergraben 63 – hoch über St. Nikolaus, parken wir an einer Bergwiese. Der Baschtele-Hof ist das Ziel. Das Hauptgebäude ist eines der malerischen Bergbauernhäuser und ich bin gespannt, wie es von innen ausschaut.
Ein riesiges geschnitztes Holzkreuz mit Jesusfigur hängt an der Frontseite. Kruzifixe in dieser Größe finde ich beängstigend. Auf der rechten Seite ist in einem Nebengelass ein Käseladen eingebaut. Eine Bank und ein Tisch vor dem Eingang laden ein zum Niederlassen. Die Tür ist geöffnet. Im Innenraum steht ein Tresen. Dieser ist über und über mit Ziegenkäse in allen denkbaren Variationen gefüllt. Wunderbar aromatische Schnittkäse, weicher Camembert, eingelegter Käse und mit Blüten bestreuter Frischkäse warten auf Käufer. In einem Feinkostgeschäft im Tal würde diese Fülle alltäglich wirken, aber hier oben in den Bergen? Ich staune.
Edith
Kurze Zeit später plaudern wir bereits mit Edith. Sie ist die Bauersfrau, die mit ihrem Mann, drei fast erwachsenen Söhnen und temporären Hilfskräften den Ziegenhof Baschtele im Ultental bewirtschaftet. Das Ultental liegt im Meraner Land in Südtirol. Die Gegend ist bisher noch angenehm wenig touristisch erschlossen.
Edith ist Mitte 40. Das Haar trägt sie kurz und ihr Kleidungsstil ist praktisch. Ihre gesunde und warmherzige Ausstrahlung schenkt vom ersten Moment an das Gefühl willkommen zu sein.
Sie bittet uns in die Stube. Wir passieren einen kleinen Flur mit einem bunten Sammelsurium an altem und fantasievoll bemaltem Mobiliar. An Garderobenhaken hängen Jacken: Arbeitsbekleidung. Rege Geschäftigkeit und völliger Stillstand der Zeit scheinen sich hier die Klinke in die Hand zu geben.
Einladende Gemütlichkeit
Der große Wohn- und Schlafraum, den wir betreten, ist hell und warm. Zeitschriften liegen herum. An einem Ofen baumelt Wäsche. Wenn es im Winter kalt ist, kann man hier sogar liegen. An den Wänden hängen Fotos und weil die Türe offen steht bleibt der Blick in die Küche frei.
Wir nehmen unter dem Herrgottswinkel an einem Tisch mit Eckbank Platz. Über mir schon wieder ein geschnitzter Gekreuzigter, so wie er hier in fast allen alten Bauernhäusern noch zu finden ist.
Is das a schians Hüttl
„Is das a schians Hüttl!” hat Edith gerufen, als sie zum ersten Mal den Berg hinaufgekommen war. Das ist einige Jahre her. Damals war sie dem stillen und zurückhaltenden Mann, der den Hof von seinen Vorfahren übernommen hatte, mit ihren Kindern hinauf in die Bergwelt gefolgt. Die aus St.Pankraz stammende Ultentalerin lebte sich nach und nach ein. Von der Großmutter hatte sie zwar die eine oder andere gute Voraussetzung geerbt, aber dass ihre Großmutter früher gekäst hatte, davon wusste sie lange Zeit nichts.
Vor sieben Jahren schaffte der Mann die ersten Ziegen an. Die freiheitsliebenden und cleveren Tiere schloss das Bergbauernpaar schnell ins Herz. Aus der Milch begann Edith Käse herzustellen. Die Molke wurde damals wie heute zusammen mit Heublumen wieder verfüttert. Die Tage verbringen die Ziegen in der Gegend rund um den Bauernhof. 72 Tiere, die Milch geben. Und siebzehn kleine Ziegen, die für die nötige Unterhaltung sorgen. Einige von ihnen stehen im Stall, in dem auch gemolken wird.
Einen Tierarzt benötigt Edith selten, denn im Gegensatz zu Kühen, bringen Ziegen Junge recht unkompliziert zur Welt. Das erleichtert vieles.
Käsen will gelernt sein
Edith näherte sich der Kunst des Käsens vorsichtig, denn schließlich ist sie keine gelernte Kaser- bzw. Sennerin. Schritt für Schritt perfektionierte sie ihr Können.
Die Brotzeit, die wir während unseres Gespräches zu uns nehmen, spricht für sich. Es schmeckt köstlich!
Heute stellt Edith die unterschiedlichsten Käsesorten her. Immer wieder probiert sie Neues. Ihren Käse verkauft die Bauersfrau nicht nur über den kleinen Laden ab Hof. Einmal in der Woche, am Samstag, packt sie um 4.00 Uhr morgens ihren Wagen voll mit Tischen, Tischdecken, einer Vitrine, einem Schirm und viel Ware. Um halb sieben ist Abreise ins Tal. Sie steht dann gemeinsam mit anderen Händlern aus dem Umland in Meran auf einem kleinen Marktplatz vor dem Restaurant Sissi. Dort werden von 8.00 – 12.00 Uhr Käse, Wurst, Obst und Gemüse angeboten. Alles von Selbsterzeugern und alles in einer Qualität, die in Supermärkten kaum noch zu finden ist.
Bergliebe
Wer nun meint, Edith wäre froh auf diesem Wege für ein paar Stunden der Einöde auf dem Land zu entfliehen, der irrt gewaltig. „Was bin ich froh, wenn ich die Stadt hinter mir lasse und wieder hier hoch ins Tal komme.” erzählt sie lächelnd. Ich muss schmunzeln.
Was ihre weiteste Reise gewesen ist, möchte ich wissen. Edith überlegt. „Irgendwo hinfahren, wo es nicht so schön ist wie bei uns?” In Griechenland und in Barcelona sei sie einmal gewesen, aber das ist länger her. Seit die Ziegen da sind, gab es keinen Urlaub mehr. Zumindest keinen im Ausland.
Unglücklich wirkt sie nicht. Ganz im Gegenteil. Lange habe ich keinen Menschen mehr getroffen, der mir so zufrieden schien wie Edith.
Sie nimmt die Bilder von der Wand und stellt uns die Familie vor. Die meisten gehören zur Familie ihres Mannes und haben früher auf dem Hof gearbeitet. Als wir uns verabschieden, drückt sie mich und raunzt mir zu: „Und wenn Du magst, kommst Du uns einfach mal eine Weile helfen. Hier gibt es immer genug zu tun und sicher ist das auch mal was für dich.” Ich nicke heftig und bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen. Den Baschtelehof werde ich nicht so schnell vergessen.
Ziegenhof Baschtele
Mitglied des Bauernverbundes Roter Hahn Südtirol
www.roterhahn.it/de/
Edith und Roland Breitenberger
Mittergraben 63
39016 Ulten / St. Nikolaus
Tel. +39 0473 790242
Mobil +39 333 3346614
Den Käse kann man ab Hof, auf dem Markt in Meran und bei PUR Südtirol kaufen. Auch der Vinschger Bauernladen bietet den Ziegenkäse von Baschtele an.
Bin diesmal wieder mit Auto da und hoffe das die Ziegen bis zum 22.03.2024 wieder Käse liefern. Zu Hause freuten sich alle auf den köstlichen Ziegenkäse. Ich möchte 40 Gläser mitnehmen.
Seit zig-Jahren machen wir Urlaub beim Eggwirt im Ultental. Die Höfewanderung gehört immer zu unseren beliebten Touren. Ein Glück, dass wir hier Einkehr im kleinen Laden des Baschtele Hofladen gemacht haben. Seit Jahren decken wir uns mit diesem köstlichen Ziegenkäse ein. Leider ist nun unser Vorrat aufgebraucht. Durch die Corona-Pandemie kommen wir nicht nach Ulten und müssen auf diese Köstlichkeiten von Edith’s Ziegenhof verzichten.
Wir hoffen sehr, dass wir uns im Herbst 2021 endlich wieder mit Ziegenkäse bevorraten können.
Liebe Grüße aus Bamberg an Edith!
Wir haben den Stand in Meran auf dem Markt einmal besucht. Der Käse ist wirklich gut!
Schön beschrieben Charis.
Ziegenkäse aus dem Aostatal? Das ist echt eine „kleine“ Schande im Ultental.
Um die Wanderung an den Höfen entlang beneide ich Euch. Bestimmt eine schöne Strecke und aufgrund der nicht einmal großen zu überwindenden Höhenunterschiede noch nicht einmal ein so anstrengender. Naja – ein guter Grund wiederzukommen!
Eine sehr schöne Schilderung unseres gemeinsamen Besuchs auf dem Baschtelehof, dessen Käse ich nun schon wiederholt gekauft habe. Inzwischen sind wir bei tropischen Temperaturen und krachendem Sonnenschein den Höfeweg durch das Ultental bis zu den Urlärchen (im Wirtshaus daneben gab es Ziegenkäse aus dem Aostatal – fast eine Perversion angesichts des Baschtelehofes! – aber auch überragend gut) erst auf der schattigen Talseite und dann zurück auf der Sonnenseite am Baschtelehof vorbei. Eine wunderbare Wanderung in einem noch einsamen Tal. Die tropischen Temperaturen sind einem plötzlich eingebrochenem Novembergeniesel gewichen – so stelle ich mir das Wetter in Hamburg vor!
Andreas