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Bandweberei Kafka Wuppertal: So entsteht der Bänderrock von Lena Hoschek

Am Stadtrand von Wuppertal rettet sich in zwei denkmalgeschützten Gebäuden ein traditionelles Handwerk in die Gegenwart. In der Bandweberei Kafka entstehen bis heute edle gewebte Stoffbänder auf denen bunte Vögel zwitschern, Schneeglöckchen blühen oder kleine Zwerge tanzen. Ein Kleinod, das auch der Modewelt nicht verborgen blieb: Die österreichische Modedesignerin Lena Hoschek zählt zu den treuen Kunden des Hauses.

Röcke aus bunt gewebten Bordüren sind das „signature piece“ der österreichischen Modedesignerin Lena Hoschek. Die verwendeten Bänder, häufig auf Jaquard-Webstühlen gewebt, werden traditionell gern als Schmuckborten an Kleidung verwendet.

Doch leider geriet die kunstvolle Technik des Bandwebens weitestgehend in Vergessenheit. Eine preiswerte industrielle Fertigung und neue Produktionstechniken ließen lange gehütete Mustervorlagen verloren gehen. Historische Webstühle wurden zu Schauobjekten in Museen, wenn sie überhaupt erhalten blieben.

Ein Ort, an dem solche Schätze der Industriekultur erhalten, und nach wie vor Sinn stiftend genutzt werden, ist die Bandweberei Kafka in Wuppertal. Hier lässt die Modedesignerin Lena Hoschek viele Bordüren für ihre Designerkollektion und ihren beliebten Bänderrock weben. 

In der Bandweberei Kafka werden gewebte Bänder, wie dieses mit Zwergen hergestellt.
In der Bandweberei Kafka werden gewebte Bänder, wie dieses mit Zwergen hergestellt.

Einst hoch geschätzt: Geschichte der Bandweberei in Wuppertal

Nur durch Zufall entdecken wir das Schild der Bandweberei Kafka in Wuppertal-Langerfeld. Es ist ein regennasser Tag, trüb und grau. Wir sind auf der Fahrt nachhause. Aber eine Bandweberei? Noch dazu mit eigenem Verkauf. Das klingt spannend.

Die Türe ist geöffnet. Ohrenbetäubender Lärm umgibt uns, als wir die Produktionsräume betreten, aber niemand ist zu sehen. Erst einmal.

An den Wänden hängen Zeichnungen, Musterkarten. Zur linken ist ein kleiner Showroom mit Vitrinen zu erkennen, geradeaus rattern die Webstühle. Obwohl heute keine Besichtigungen auf dem Terminplan stehen, dürfen wir eintreten. Ein großes Glück, denn bei Kafka lebt ein unschätzbares Kulturgut weiter: die Bandweberei.

Patrick gibt uns während unseres Besuches Einblick in die Arbeit mit den Webstühlen.
Patrick gibt uns während unseres Besuches Einblick in die Arbeit mit den Webstühlen.

Das Handwerk der Bandweberei hat in Wuppertal und Umgebung eine jahrhundertalte Geschichte. Große Teile der Bevölkerung lebten über Generationen hinweg von der Textilindustrie, deren Anfänge im Jahr 1527 liegen. Zu dieser Zeit erhielten die Ortsteile Barmen und Wuppertal-Elberfeld das Privileg der sogenannten „Garnnahrung„. Es versprach ihnen ein Monopol auf das Veredeln vom Leinengarn. Nur in diesen Stadtteilen durfte es gebleicht und verkauft werden. Das bildete die Grundlage für eine langjährige Erfolgsgeschichte der Textilherstellung, die Wuppertal zeitweise großen Wohlstand bescherte.

Retterin textilen Erbes: Frauke Kafka wird Inhaberin der Bandweberei

Doch zurück zur Bandweberei Kafka. Gründerin der Weberei ist Frauke Kafka, eine diplomierte Textildesignerin, mit einem Faible für historische Webmuster. Sie rettet mehrere mechanische Jacquard-Webstühle aus einem Betrieb, der 1898 als „Mietfabrik“ gegründet, auf die Herstellung von Webetiketten und Bändern spezialisiert ist. Das Geschäft läuft, bis es in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts unrentabel wird. Wie viele Textilhersteller dieser Zeit, muss sich auch die Bandweberei der immer höher technisierten Konkurrenz ergeben.

Frauke Kafka gelingt es einen neuen Standort für die Maschinen zu finden und die Webstühle in einer Art musealer Produktion weiterleben zu lassen. Ihr ist der Erhalt traditioneller Webmuster und der Entwurf neuer Motive zu verdanken. Nach ihrem Ausscheiden aus Altersgründen, muss die Bandweberei Kafka ein weiteres Mal umziehen. Sie findet in einem denkmalgeschützten Ensemble in der Öder Straße das vorerst letzte „Zuhause“.

Betagte Zeitzeugen: Die Webstühle der Bandweberei Kafka

Die im Betrieb erhaltenen Webstühle haben unterschiedliche Produktionsstandorte gesehen. Während die jüngste Maschine 1966 in Betrieb genommen wurde, gibt es mehrere Veteranen, die bereits über einhundert Jahre alt sind. Der älteste Webstuhl in der Bandweberei Kafka soll von 1882 sein.

Eine der Webmaschinen, so erfahren wir im Laufe unseres Gespräches, wurde im Jahr 1900 auf der Weltausstellung mit einer Goldmedaille prämiert. Was die damaligen Betreiber wohl sagen würden, hätten sie gewusst, dass der Webstuhl 2023 noch immer bunte Bänder produziert?

„Die Maschinen haben Namen, weil wir von ihnen träumen. Außerdem können wir sie mit einem Namen besser beschimpfen.“

erzählt uns Patrick, während wir eine Führung durch die Produktionshalle machen. Das Rattern der Webmaschinen ist so laut, dass die Weber ohne Gehörschutz taub würden. Direkt neben einer Maschine stehend, verstärkt sich das Gefühl, der Boden würde tanzen. Das ist auch der Grund, weshalb es gar nicht so einfach ist, einen geeigneten Produktionsstandort zu finden.

Damit wir uns besser umschauen können, wird der Betrieb eine Zeit lang gestoppt. Wohltuende Ruhe, die selten ist. Weil die Auftragsbücher der Bandweberei Kafka gut gefüllt sind, laufen die Webstühle zu den Betriebszeiten ununterbrochen.

Ich streiche vorsichtig über das abgewetzte Holz. Emailleschilder an den Streben verraten, mit wem ich es zu tun habe: Oma, Jupp, Theo, Maja und Willi. Das sind nur einige der Maschinen-Namen.

Handwerkskunst: Nicht nur auf das Weben kommt es an

Die Webstühle werden von sechs Mitarbeitern bedient und gewartet, wobei nicht immer alle anwesend sind. Viele von ihnen haben zuvor als Maschinenführer in der Textilindustrie an vollautomatischen Maschinen gearbeitet. Aber das Arbeiten mit den historischen Webstühlen sei herausfordernder und mache viel mehr Spaß, berichtet Patrick.

Weil es schwierig ist noch Ersatzteile für die Maschinen zu bekommen, werden die Schiffchen immer wieder geleimt. Und da auch Kosten eine Rolle spielen, helfen sich die Weber mit modernen Mitteln. Elemente für die Maschinen, die heute nicht mehr zu bekommen sind, werden auf 3D Druckern* nachgedruckt.

Lochkarten, von denen für ein Webmotiv bis zu 850 unterschiedliche gebraucht werden, stanzen die handwerklich begabten Mitarbeiter mit einer selbst entwickelten Technik, eigenständig aus.

Jacquard Webtechnik: Was ist das und wer hat sie erfunden

Jacquard-Weberei ist eine Technik, mit der auf speziellen Webmaschinen, komplexe Muster in Textilien ein oder mehrfarbig erzeugt werden können. Der Name Jacquard geht auf Joseph Marie Jacquard zurück. Ein französischer Erfinder, der im Jahr 1804 eine mechanische Webmaschine entwickelte, die es ermöglichte, Muster automatisch in Textilien zu weben. Mit ihrer Hilfe wurde es möglich, komplexe Muster und Designs zu erzeugen, die vorher nur von Hand gewebt werden konnten.

Jacquard-Webmaschinen benötigen Lochkarten, mit deren Hilfe das Muster auf die Textilien übertragen wird. Die Löcher in der Karte bestimmen, welche Fäden gehoben oder gesenkt werden. Ist ein Loch vorhanden wird der Faden gehoben, fehlt das Loch, wird er gesenkt. Die Jacquard-Technik wird bis in unsere Gegenwart in der Textilindustrie verwendet. Sie spielt insbesondere bei der Herstellung hochwertiger Geweben wie Brokat, Damast und Jacquards eine Rolle.

So funktioniert das Bandweben

Die Bänder werden wie folgt gewebt: In Abständen ist jeweils eine bestimmte Anzahl von Kettfäden aufgespannt. Diese Fäden geben die Längsrichtung des Musters vor und sind in der Regel in einer Farbe.

Buntes Garn ist auf Spulen, bzw. Schiffchen aufgespult, die nach Vorgabe der Lochkarten hin und her geschossen werden. Jede Lochkartenreihe ist ein Durchschuss. So wird das Muster weitergeführt.

Einige Schiffchen können eine halbe Stunde, andere sogar einen ganzen Tag durch die Maschine laufen und die Muster weben. Um das zu überwachen, muss immer ein Mitarbeiter durch die Maschinen laufen und den Webvorgang beobachten. Sobald es Unregelmäßigkeiten gibt, ein Faden sich dem Ende zuneigt oder ein anderer Webfehler sichtbar wird, wird in den Webprozess eingegriffen.

Wenn ein Garn alle ist, wird es von Hand neu angeknüpft. Dafür sind die Weber mit den gängigen Weberknoten vertraut. Erst wenn die erforderliche Menge Band gewebt ist, wird die Maschine neu eingerichtet, eine neue Kette aufgespannt.

Außer Bändern und Bordüren werden auf den Jaquard-Webstühlen auch Initialen und Webetiketten hergestellt. Zuerst entsteht dafür ein langes Band, das dann in einzelne Schilder zerschnitten wird.

Einkaufen in der Bandweberei Kafka

Wer bei Kafka Bänder kaufen möchte, der kann das in den Verkaufsräumen der bergischen Villa direkt neben der Bandweberei. In Regalen und Vitrinen warten unzählige Bordüren und Bänder in allen Farben, vielen Breiten und unterschiedlichen Garnqualitäten. Mal ist die Optik matt, mal schimmern die Fäden in einem seidigen Ton.

Sie lassen sich aufnähen, um Geschenke binden und vielfältig zum Dekorieren verwenden. Weil sie aus hochwertigen Garnen gewebt sind, ist ihnen ein langes Leben gewiss.

Diese Motive werden in der Bandweberei Kafka verkauft

Florale Muster wie Rosen, Vergissmeinnicht und Schneeglöckchen
Tiere, z.B. Vögel
Geometrische Muster
Maritime Motive
Buchstaben als Einzelmotiv / Initialen
Weihnachtliche Bordüren und Bänder
Märchenhafte Motive wie Zwerge

Die Bänder können vor Ort gekauft oder über einen Onlineshop bestellt werden. Die Adresse: Bandweberei Kafka

Auf Amazon habe ich handgenähte Unikate mit Bändern von Kafka entdeckt. Zu den Produkten*.

Bereits verarbeitet sind die Bordüren und Bänder außerdem in der eleganten Kleidung von Lena Hoschek. Ihre Mode ist in ihren Boutiquen in Österreich zu erwerben oder zum Beispiel in der stilvollen Boutique von Wally Gastein in Bad Gastein.

Gäste drücken sich an den Schaufenstern von Wally Gastein die Nase platt: Im Fenster: der Ribbon Skirt von Lena Hoschek
Gäste drücken sich an den Schaufenstern von Wally Gastein die Nase platt: Im Fenster: der Ribbon Skirt von Lena Hoschek

 

Designerin Lena Hoschek und ihr legendärer Bänderrock

Lena Hoschek (geb. 1981 in Graz) ist eine österreichische Modedesignerin, die für ihre vintage-inspirierten Kollektionen bekannt ist. Nach einem Studium an der Modeschule Hetzendorf in Wien, absolviert sie ein mehrmonatiges Praktikum bei Vivienne Westwood in London.

Mit nur 24 Jahren, gründet sie ihr eigenes Label unter ihrem Namen Lena Hoschek. Sie eröffnet eigene Boutiquen: Modegeschäfte in Graz, Wien und Kitzbühel.

Ihre Mode, unter anderem der Bänderrock mit den Bändern der Bandweberei Kafka, präsentiert sie auf der Vienna Fashion Week und auf internationalen Modenschauen in Mailand, Paris und New York. Der Gewinn des Austrian Fashion Award, den sie mehr als einmal erhält, ist einer der Meilensteine im Verlauf ihrer Karriere.

Für ihre Kollektionen, die sich an Frauen, aber auch Bräute und Kinder richten, verarbeitet Lena Hoschek hochwertige Materialien und setzt auf die traditionelle Verarbeitung von Hand. Die niederländische Königin Maxima und Künstlerinnen wie Dita von Teese und Fiona Erdmann schätzen den Stil der Österreicherin und tragen ihre, mit Mustern, Blumen und Farben besetzten Kleider.

Das ORF zeigt in einem Kurzfilm, wie der ikonische Bänderrock entsteht. Lena Hoschek zeigt, wie sie mit Bändern verschiedener Webereien, u.a. auch der Bandweberei Kafka, arbeitet. Zum Film.

Wer den Stil von Lena Hoschek liebt und wissen will, wie die Designerin gelungenes Interiordesign interpretiert, bucht die gleichnamige Suite im Hotel Altstadt Vienna in der Wiener Josefstadt. Gedeckte Farben, dunkle Möbel und florale Textilmuster prägen den Stil dieser Suite.

Hier kannst Du das Hotel Altstadt Vienna buchen*

Bandweberei Kafka Wuppertal

Inhaberin Claudia Pauli
Öhder Straße 47 und 49
42289 Wuppertal
www.baenderei-kafka.de

Link zu Google Maps 

Weiterführende Informationen zum Thema Bandweben in Wuppertal

Wer sich noch ausführlicher zum Thema Bandweben in Wuppertal informieren möchte: Die Stadt hat außerdem ein Bandwebermuseum in einem Gebäude von 1910. Dort wurden viele Jahre Bänder für die Marke Gold-Zack gewebt. Das Museum für Industriekultur in Wuppertal informiert darüber.

Im Hüs üf der Flüe Transparenz: Als freie Journalistin recherchiere ich vor Ort, sammle Bilder und Eindrücke. Wie jedes Onlinemagazin finanziert sich Schönste Zeit unter anderem über Empfehlungen, die auch in diesem Text enthalten sind (Markierung mit *). Wenn Du einen Link anklickst, möglicherweise darüber buchst oder kaufst, unterstützt Du unabhängige Recherchen und bedankst Dich für die Informationen. Dir entsteht kein Nachteil.

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Charis

3 Kommentare zu “Bandweberei Kafka Wuppertal: So entsteht der Bänderrock von Lena Hoschek

  1. Janette

    Die Rücke habe ich Österreich schon so oft gesehen. Wie toll diese Geschichte zu den Bändern.
    Habe ich mit Interesse gelesen!

    • Ich kannte auch erst die Röcke und wusste natürlich auch nicht, woher die Bänder sind. Das war wirklich spannend.

  2. Das ist ein wirklich informativer Artikel. Als Hutmacherin bin ich natürlich ein Bandfetischist. Vieles wusste ich aber einiges Neues habe ich hier erfahren. Heute habe ich auf meinem Instagram Profil Hutsalon Bilder aus dem Bandwirker Museum in Wuppertal Ronsdorf gepostet. Es war ein spannender Besuch. Herzliche Grüße aus Remscheid
    Susanne Bollmann

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