Barbara im Almkanal

Almabkehr: Der geheimnisvolle Kanal durch den Salzburger Mönchsberg

Wenn im Herbst gummistiefeltragende Salzburger und Gäste der Stadt mit feuchten Sohlen aus einer Seitentür des Friedhofs St. Peter heraustreten, tun sie das aufgeregt plaudernd und heiter. Warum? – Weil sie geradewegs aus einer anderen Welt in den Alltag zurückkehren. Sie haben ein Stück Salzburg erkundet, von dem viele nicht einmal wissen, dass es dieses Abenteuer hier zu erleben gibt. Es ist der Weg zurück aus einem mittelalterlichen Kanalsystem, dass Teile der Stadt Salzburg noch heute mit Wasser versorgt. Der Salzburger Almkanal.

„Kopf einziehen!“, „Vorsicht Kante!“, „Auf Zehenspitzen!“ Warnend und tastend wandern wir durch den dunklen Salzburger Almkanal. Der Kopf schrammt knapp am harten Fels vorbei, die Füße stehen mindestens knöcheltief im Wasser. Einheimische erkennt man an den mitgebrachten Gummistiefeln. Touristen sind meist die mit den nassen Sohlen. Doch egal ob Gast oder Salzburger: Für alle ist die Almabkehr Abenteuer und Spaß zugleich.

Die Almabkehr 2024 findet vom 07.09. bis 27.09. statt.

Alle Infos am Ende des Artikels.

Almabkehr im Salzburger Almkanal: Auf dem Weg in Salzburgs Unterwelt

Wir, das ist eine Gruppe von etwa zehn Personen, angeführt von Almkanalführerin Antonia. Die Studentin empfängt uns vor einem kleinen Häuschen auf der Rückseite des Mönchsberges, erklärt uns die Geschichte des Almkanals und gibt erste Anweisungen. Zusammenbleiben ist wichtig, Kommandos werden wie bei der stillen Post von vorne nach hinten weitergegeben. Es wird zügig gelaufen, denn auf eine Gruppe folgt die nächste und gemütlich ist es in der Dunkelheit des Tunnels ohnehin nicht.

Wer in den Kanal steigt, braucht festes Schuhwerk, robuste Kleidung, eine Stirn- oder Taschenlampe. Warum Antonia zusätzlich eine Mütze mit Plastikeinsatz unter der Kapuze trägt, werden wir gleich am eigenen Leib erfahren.

Geschickt verzweigt: der Almhauptkanal und das Stiftsarmsystem

Der Almkanal besteht aus Almhauptkanal und Stiftsarmsystem. Letzteres ist der Bereich, in den Besucher für eine Führung einsteigen. Er besteht aus einem Hauptkanal und einigen Nebenarmen. Das insgesamt 20 Kilometer lange Almkanalsystem verzweigt sich unter der Salzburger Altstadt und mündet an vier Ausgängen in der Salzach. Der Abschnitt des Almkanals, der besichtigt wird, ist 400 Meter lang.

Die Ursprünge des Stollens sind in der Zeit zwischen dem 9. (Mühlner Arm) und 12. Jahrhundert zu finden. So früh wird mit dem Bau begonnen. Mit Spitzhacke, Hammer, Meißel und Schaufel ist der Bau für die Menschen dieser Epoche eine große Herausforderung. Das Wasser, auch in Salzburg die wichtigste Lebensgrundlage, wird dringend benötigt. Die Salzach taugt trotz ihrer Nähe nicht als Wasserlieferant. Ihr Wasser ist zu schmutzig. Gleichzeitig liegt das Flussbett niedriger als die Stadt. Ein Transport in die höheren Lagen, bedeutet einen ungünstig hohen Energieaufwand.

Zu dieser Zeit sind das Salzburger Domkapitel und der Stift St. Peter die größten Grundeigentümer der Stadt. Da der Mühlner Arm außerhalb der Stadtmauern liegt, ist ein Kappen der Wasserzufuhr von außen zu befürchten. Das mündet im 12. Jahrhundert in der Erweiterung der bis dahin noch rudimentären Anlage. Mühlen und Wasser müssen in die Stadt. Der Almkanal soll Unabhängigkeit garantieren.

Was die Königsseeache mit Salzburgs Almkanal verbindet

Die ambitionierten Pläne drohen jedoch an einem Problem zu scheitern: Sowohl Mönchsberg, als auch Festungsberg bestehen aus sehr hartem Gestein. Das ist schwer zu bearbeiten, zumindest mit den Mitteln, die zu dieser Zeit zur Verfügung stehen. Als glückliche Fügung erweist sich, dass zwischen den beiden Bergen eine weitere Gesteinsschicht existiert. Sie besteht aus Sandstein und ist somit deutlich weicher. Ein weiterer Vorteil: Die Sandsteinschicht durchläuft das vergleichsweise kürzeste Stück durch den Berg.

Die um 1137 begonnenen Grabungen führen 1143 zum Erfolg. Die Bergleute erreichen auf der Rückseite des Mönchsbergs, unserer heutigen Einstiegsstelle, das Tageslicht. Der aus Baumstämmen bestehende hölzerne Zuleitungskanal wird bis zum Untersberg erweitert. Doch auch das löst das Problem nicht, denn der Bach führt zu wenig Wasser und ist zu störanfällig. Immer wieder kommt es zu überfluteten Feldern, was die Landwirte verärgert.

Die Lösung bringt eine Verbindung zur Königsseeache, die direkt vom Königssee zuläuft. Sie löst das Problem des Wassermangels, da sie von vornherein mehr Wasser führt. Auf diesen Bauabschnitt ist der Name, des für die Stadt Salzburg so wichtigen Kanalsystems, zurückzuführen: die Königsseeache heißt im Volksmund „Die Alm“. Also entsteht der Begriff „Almkanal“.

Treffpunkt Surfwelle: HotSpot am Salzburger Almkanal

Noch bis in die heutige Zeit ist es möglich, auch ohne einen Einstieg unter Tage, Teile des Almkanals in Salzburg zu entdecken. Wer durch Salzburg Gneis radelt und vielleicht die künstliche Surfwelle (ähnlich der Münchner Eisbachwelle) aufsucht, passiert einen überirdischen Teil des Kanalsystems. Im Sommer wird der Almkanal gern zum Schwimmen und Baden genutzt.

Viele Kanalabschnitte jedoch sind unterirdisch und kommen an Stellen zutage, an denen sie von Laien kaum als zugehörig identifiziert werden. Ein Arm leitet Wasser zur Fontäne des Residenzbrunnens. Durch den hohen Wasserdruck entstand in den Anfangsjahren eine Fontäne von sechs bis sieben Meter Höhe, was der Wasserkunst den Titel „größter Brunnen nördlich der Alpen“ einbrachte. Die Fontäne ist noch heute zu bestaunen. Sie spritzt nur nicht mehr so hoch…

Am Ende des Almkanals haben sich der Stift St. Peter und das Domkapitel eigene Abzweigungen gelegt. Der Kanal führt von dort auf unterschiedlichen Wegen durch die Stadt. Der Arm von St. Peter führt unter anderem zur Stiftsbäckerei. Dort ist noch immer ein hölzernes Mühlrad zu bestaunen.

Abenteuer Stollenführung: Salzburgs spannende Almabkehr

Begeben wir uns nun unter Tage: Der Einstieg für die Almabkehr erfolgt über wenige Leiterstufen in einen von außen unscheinbaren Schacht. Vorgelagerte Gitter schirmen den Eingang ab. An dieser Stelle ist der Almkanal so hoch, dass wir bequem stehen und ins Berginnere laufen können.

Doch schon bald ist das Tageslicht verschwunden. In völliger Dunkelheit wandern wir immer tiefer in das Stollensystem hinein. Nur der Schein unserer Stirnlampen hilft uns bei der Orientierung. Bis zu zehn Zentimeter hohe Pfützen erschweren das Gehen. Zumindest für diejenigen, die keine Gummistiefel tragen.

Die Decke ist unterschiedlich hoch. Mal ist sie 2,20 Meter hoch, kurz darauf nur noch 1,20 Meter. Immer wieder gibt es harte Kanten und wer nicht aufpasst, holt sich eine Beule. Jetzt wird klar, warum Antonias Mütze diese harte Innenseite hat.

Es wird schnell gelaufen. Ein ständiges „Kopf einziehen!“ begleitet den Weg. Wo sonst 5.500 Liter Wasser pro Sekunde durch den Stollen rauschen, ist auch der Boden uneben. Der Weg ist gewunden und verzweigt, denn wo etwas eingebrochen ist, wurde an anderer Stelle weitergegraben. Die unterschiedlichen Formen und Höhen der Decken symbolisieren den Entstehungsprozess. Mal sind sie rund, mal dominieren gotische Spitzbögen.

Spurensuche unter Tage

In einem Seitenstollen fällt der Blick auf eine dunkle Kante. Antonia zeigt, dass dies dem normalen Wasserstand entspricht. Auch die Jahreszahl 1790 ist in den Fels gemeißelt. Sie verweist auf den dritten Einsturz des Kanalsystems und den Neubau des Stiftarms.

Hätten wir etwas mehr Zeit, könnten wir weitere Jahreszahlen, versteinerte Schnecken, Stalaktiten und Stalagmiten entdecken. Wir halten kurz an einem Lüftungsschacht und erreichen nach etwa einer halben Stunde den Ausgang.

Er befindet sich, das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, direkt im Friedhof von St. Peter und unter der Station der Festungsbahn. Diejenigen, die mit der Bahn fahren, können dort nachlesen, dass auch sie in früheren Zeiten mit dem Wasser des Almkanals betrieben wurde.

Über eine weitere Leiter treten wir ins Freie. Paul Fürst, der Erfinder der Original Mozartkugel und die Schwester von Wolfgang Amadeus Mozart, Maria Anna, genannt „Nannerl“,  liegen hier unter der Erde. Für uns ist das Abenteuer vorbei. Für alle, deren Interesse geweckt wurde, fängt es jetzt vielleicht erst richtig an?

Termin zur Almabkehr – Buchungen

Die Almabkehr 2024 findet vom 7. bis 27. September 2024 statt.

Sobald der offizielle Termin für das Ablassen des Wassers festgelegt ist, können die Touren durch den Salzburger Almkanal gebucht werden.

Die  Kanäle werden für drei Wochen trockengelegt, fachkundig inspiziert, gereinigt und instand gesetzt. Die Möglichkeit zur Besichtigung ist im Prinzip nur ein spannendes „Nebenprodukt“.

Die Stollenführungen sind Erwachsenen und Kindern erlaubt. Trittsicherheit und passende Kleidung sind Voraussetzung. Außerdem ist Angst vor engen Räumen auszuschließen.

Wer zu einer anderen Jahreszeit kommt, kann sich am unteren Ausgang der Festungsbahn eine kleine Ausstellung ansehen. Dort ist angedeutet, wie der Almkanal unter dem Mönchsberg ausschaut. Den Kopf stoßen kann man sich dort nicht.

Nützliche Links: Stollenführung durch den Salzburger Almkanal

Link zur Webseite:  Almkanal – Lebensader Salzburgs

Weitere Informationen auf: Stiftsarmstollen

Der Almkanal auf Google-Maps

Barbara von Reisepsycho hat das Erlebnis in einem Artikel über Salzburgs Besonderheiten verarbeitet. Bei Claudia on tour gibt es eine Schilderung des Spaziergangs aus Sicht einer Einheimischen: Die Almabkehr, ich bin durch den Mönchsberg gegangen.
Bei Hubert vom Travellerblog findet man ein Bild, auf dem ein Schild mit „Lebensgefahr“ zu sehen ist. Keine Angst. Das gilt nur für Zeiten, in denen der Almkanal nicht für die Reinigungsarbeiten, die sogenannte „Almabkehr“ trockengelegt ist. Salzburg – Kuriositäten und Sehenswürdigkeiten.

Offenlegung: Ich habe den Salzburger Almkanal bei einer Recherche zur Almabkehr in Kooperation mit  Salzburg Tourismus besichtigt.

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Charis

4 Kommentare zu “Almabkehr: Der geheimnisvolle Kanal durch den Salzburger Mönchsberg

  1. Volkmar Dr. Kleint

    Hochinteressant und spannend!

  2. Martin

    Wirklich spannend. Davon hatte ich noch nie vorher gehört und ich war schon so oft da.

  3. Liebe Charis, hach, das ist jetzt eine schöne Erinnerung an den September. Eh fast unglaublich, dass das für mich als Salzburgerin eine Almkanal Premiere war. Ich schick dir viele liebe Grüße aus der Mozartkugelstadt, Claudia

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